Mueller, Carin
irgendetwas völlig falsch verstanden haben. Auf so eine absurde Idee kämen weder meine Mutter noch Gisela.« Er schüttelte den Kopf.
Daraufhin verlor Antonella völlig die Nerven. Während er Mutter und Ex offenbar für wahre Unschuldslämmer hielt, unterstellte er ihr also eine reichlich kranke Fantasie. »Hau ab! Verschwinde von hier! Ich will dich nie wiedersehen!«
»Du kannst mich doch nicht so einfach rauswerfen«, rief er fassungslos.
»Ich kann es, und ich tue es auch!«, sagte Antonella nun mit einem leisen, drohenden Tonfall. »Es sind meine Wohnung und mein Haus. Du hast fünf Minuten, um das Wichtigste mitzunehmen, dann rufe ich die Polizei. Alle anderen Sachen schicke ich dir zu, die Adresse kenne ich ja!« Dann nahm sie die verzweifelte Elisa auf den Arm und ging mit ihr ins Kinderzimmer. Dort versuchte sie, die Kleine zu beruhigen. Währenddessen lauschte sie den Geräuschen in Ankleidezimmer und Bad. Einige Minuten später hörte sie, wie die Wohnungstür zufiel. Adrian war weg.
KAPITEL 20
Hürdenlauf
A uch vier Tage später sah die Welt für Adrian noch nicht besser aus. Antonella hatte ihn vor die Tür gesetzt und ihn mit fast gespenstischer Präzision von ihrem einstmals gemeinsamen Leben ausgeschlossen. In der Kita händigten sie ihm seine Tochter nicht mehr aus – das war vorgestern einer der peinlichsten und schrecklichsten Momente in seinem Leben gewesen –, bereits am nächsten Tag waren sämtliche Schlösser in Haus und Wohnung ausgewechselt, und alle Mitarbeiter von Hugo’s Affairs, allen voran Katia und Giovanni, hatten strengstes Verbot, ihn zu kontaktieren. Letzteres wusste er von Giovanni, der sich glücklicherweise nicht daran hielt. Er war erst einmal in Giovannis Wohnung untergekommen und hatte seit gestern auch all seine Sachen bei sich. Wenn es nicht so verdammt traurig wäre, würde er Antonella für ihre Gründlichkeit bewundern. Sie hatte all seine Klamotten, Bücher, CDs und sonstigen Dinge in Rekordtempo zusammengepackt und hätte sie um ein Haar von einer Spedition in Giselas Wohnung liefern lassen. Im letzten Moment war dabei Giovanni dazwischengegangen und hatte ihr gesagt, dass Adrian nicht etwa bei Gisela, sondern in seiner alten Wohnung wohnte. Das schien sie jedoch nicht weiter zu beeindrucken, genauso wenig wie Giovannis Andeutungen, dass die ganze Sache einfach nur ein Missverständnis gewesen sein könnte. Sie wollte ganz eindeutig nichts mehr mit Adrian zu tun haben! Und wenn er ehrlich war, konnte er sie inzwischen sogar verstehen. Er hatte nämlich erst vorhin herausgefunden, dass Antonella – abgesehen von einem wesentlichen Punkt – absolut Recht hatte mit ihrer Annahme, dass Gisela ihre Familie übernehmen wollte. Der wesentliche Punkt war, dass er bis heute Mittag tatsächlich nichts davon gewusst hatte. Natürlich hatte er sofort versucht herauszufinden, was hinter der Geschichte steckte – doch es war gar nicht so einfach gewesen, an profunde Informationen zu kommen. Seine Eltern waren gerade im Skiurlaub und deshalb erstens schwer zu erreichen und zweitens scheinbar ebenfalls völlig ahnungslos. Seine Mutter hatte sich jedoch den Kommentar nicht verkneifen können, dass sie Gisela so etwas unter keinen Umständen zutraute, Antonella jedoch für zu einem derart destruktiven Verhalten in der Lage hielt, damit es zum Bruch zwischen Adrian und seinen Eltern käme. Seinen Hinweis, dass es aktuell eher nach einem Bruch zwischen ihm und seiner Frau aussah, hatte sie leichthin abgetan und ihm empfohlen, sich vielleicht tatsächlich zukünftig an Gisela zu halten. An die Hugorianer kam er nicht ran, und Giovanni hatte von dem »Gesa-Projekt« nicht allzu viel mitbekommen. Adrian hatte krampfhaft versucht, sich an die Details zu erinnern, die ihm Antonella in den schillerndsten Farben geschildert hatte, doch ärgerlicherweise musste er nun zugeben, dass er den Geschichten über die kapriziöse Klientin nie besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Erst gestern hatte ihm Giovanni, der Katia offensichtlich massiv unter Druck gesetzt hatte, ein paar handfestere Details präsentieren können. Seine Ex hatte sich tatsächlich von Antonella eine riesige Luxuswohnung einrichten lassen und behauptet, sie hätte sich an Weihnachten mit ihm versöhnt. Gisela selbst war nach dem Restaurantdrama komplett von der Bildfläche verschwunden gewesen, und ihm war aufgefallen, dass er nicht einmal eine Telefonnummer von ihr hatte. Es war sowieso alles ziemlich absurd
Weitere Kostenlose Bücher