Mueller, Carin
dass Gesa oder Gisela eine kranke Psychopathin war, die auch ihn in eine Falle gelockt und ihn schließlich sogar bedroht hatte. Das wusste sie jedoch schon von der Polizei, die am Nachmittag ins Loft gekommen war, um sie und die anderen Mitarbeiter zum Thema Gesa zu befragen. »Wirklich eine rührselige Geschichte«, hatte sie gesagt, »und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun? Ihn anrufen und sagen: ›Armer Hase, tut mir leid, dass dir so übel mitgespielt wurde. Verzeih mir bitte, dass ich dir jetzt auch noch Stress gemacht habe‹?« Nein, so einfach ging es diesmal wirklich nicht, auch wenn sie der Beinahe-Amoklauf sehr schockiert hatte und sie schon wegen Elisa gerne eine einfache Lösung gefunden hätte. Die Kleine war völlig verstört und vermisste ihren Vater fürchterlich. Allein heute Vormittag war sie mindestens dreimal zu ihr gelaufen und hatte mit hoffnungsvollem Blick gefragt: »Papa heim?« Nein, der Papa würde wohl erst mal nicht wieder heimkommen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, wenn sie die traurigen Augen ihrer Tochter sah. Und leider krampfte sich seit fast zwei Stunden mit einer erschreckenden Regelmäßigkeit auch ihr Unterleib zusammen. Das konnte sie nun einfach nicht länger ignorieren und hoffen, dass es von alleine wieder weggehen würde. Sie hatte Wehen, fast zehn Wochen zu früh. Panik machte sich in ihr breit und versorgte sie mit immerhin so viel Energie, dass sie aufstehen konnte. »Komm, Sternchen, wir besuchen die Wauwaus!«
»Mein Gott, du siehst aus wie der Tod!«, rief Katia entsetzt, als sie die Tür öffnete. Elisa war sofort ins Welpenzimmer gelaufen und hatte sich auf die jungen Hunde gestürzt.
»Ich habe Wehen. Ist Giovanni da, damit er mich ins Krankenhaus fahren kann? Sonst rufe ich mir ein Taxi. Kannst du auf die Kleine aufpassen?«
»Wie schrecklich! Aber natürlich fährt er dich! Und mach dir um Sternchen keine Sorgen, ich kümmere mich um sie, solange es nötig ist.« Sie drückte Antonella kurz und rief dann Giovanni, der Zeitung lesend in der Küche saß.
Zwei Stunden später lag Antonella an einem Wehenschreiber angeschlossen und mit einem Tropf am Arm in der Klinik. Die Ärzte hatten sie gründlich untersucht und sich dann vorsichtig optimistisch geäußert. Mit dem Wehenhemmer und absoluter Bettruhe könnte man eine vorzeitige Geburt wahrscheinlich verhindern. Giovanni war die ganze Zeit an ihrer Seite gewesen und hatte ihre Hand gehalten. Jetzt war er nach Hause gefahren, um ein paar Sachen für seine Schwester zu holen. Vorher musste er ihr jedoch hoch und heilig versprechen, dass er keine Silbe zu Adrian sagen würde. Ein Versprechen, mit dem er sich bis zum Abend herumquälte. Katia hatte rasch das Nötigste zusammengepackt, und Giovanni hatte die Tasche plus einige Zeitschriften und reichlich Schokolade wieder ins Krankenhaus gebracht. Er wäre auch bei ihr geblieben und hätte versucht sie aufzuheitern, aber schon nach wenigen Minuten hatte sie ihn wieder nach Hause geschickt. Sie wollte einfach nur alleine sein – schlafen, vergessen.
»Ich werde ihn jetzt anrufen!«, kündigte Giovanni an. Es war inzwischen acht Uhr abends, und mit viel Mühe hatten sie es endlich geschafft, Elisa ins Bett zu bringen. Die Kleine hatte die letzte Stunde fast ununterbrochen nach Mama und Papa gebrüllt und war dann irgendwann völlig erschöpft in Katias Armen eingeschlafen.
»Das kannst du nicht machen. Dafür killt sie dich. Und weitere Aufregung ist wirklich das Allerletzte, was sie jetzt noch braucht«, gähnte Katia groggy. Acht fünf Wochen alte Welpen waren zwar auch anstrengend, aber nichts im Vergleich zu einem knapp zweijährigen Kind, das völlig von der Rolle war, weil sich sein vertrautes Leben ziemlich radikal geändert hatte.
»Aber er hat ein Recht darauf zu erfahren, was Sache ist. Es geht schließlich auch um sein Kind«, insistierte er.
»Meinst du nicht, dass er sich das früher hätte überlegen sollen?« Katia war ganz auf Antonellas Seite und hatte kaum Verständnis für Giovannis Doppelagenten-Status.
»Ach Schätzchen, du hättest ihn gestern Abend erleben sollen. Ich meine, er hatte ja nicht die geringste Ahnung von der Nummer, die seine Ex abgezogen hat. Und glaub mir, es bringt ihn fast um, dass er es Antonella nicht geglaubt hat.«
»Geschieht ihm ganz recht! Und ich finde wirklich, dass du mal deine Loyalität überdenken solltest. Hallo, es geht hier um das Wohl deiner Schwester!«
»Und genau deshalb will ich ihn
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