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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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stundenlang aufpasst. Er holt das Telefon aus der Hosentasche. Borowskis Nummer hat er gespeichert. Der meldet sich gleich.
    »Müller Benedikt. Guten Tag, Herr Borowski«, sagt der Polizeimann.
    »Guten Tag, Herr Müller. Wie geht es Ihnen?«, sagt der Therapeut.
    »Ich habe ein Problem, deshalb rufe ich Sie an«, sagt der Müller, »ich habe gestern Abend meine Tablette nicht genommen.«
    »Wie haben Sie geschlafen?«
    »Wie ein Stein, ich war todmüde«, sagt der Müller.
    »Wie geht es Ihnen jetzt?«
    »Nicht schlecht.«
    »Aber Sie haben mich angerufen. Haben Sie Angstzustände?«
    »Das nicht«, sagt der Müller, »ich bin im Einsatz.«
    Kurze Pause.
    »Im Einsatz? Sie sind krankgeschrieben«, sagt Borowski, Entschiedenheit in der Stimme.
    »Ja«, der Müller fast kleinlaut.
    »Und wo sind Sie jetzt?«
    »In Oberlunkhofen, im Aargau«, sagt der Müller und lässt den Grund seines Landausflugs weg.
    Aber Andreas Borowski kennt die Sorte: »Und was tun Sie dort?«
    »Ich sichere einen Tatort, an dem sich vielleicht bald nochmals etwas ereignet.«
    Kurze Pause, Borowski sammelt sich.
    »Als Ihr Arzt empfehle ich Ihnen dringend, Ihre Kollegen anzurufen. Die sollen den Ort sichern. Und Sie fahren nach Hause. Sie sind noch nicht in der Verfassung, die Arbeit wieder aufzunehmen. Hören Sie mich, Herr Müller?«
    Müller scharrt leise mit dem rechten Schuh im Stroh. Mit der Innenkante der Sohle versucht er, einen Strohhalm entzweizuteilen. Das Ding ist zäh. Es gelingt ihm nicht.
    »Hören Sie mich, Herr Müller, rufen Sie –«
    »Und wenn ich die Tablette heute Abend auch nicht nehme?«, fragt der Müller dazwischen.
    »Warum sollten Sie nicht?«, fragt der Therapeut.
    »Falls ich wach bleiben muss.«
    »Sie rufen jetzt Ihre Kollegen an und fahren dann nach Hause, verstehen Sie mich?«
    Aber der Müller drückt das Gespräch weg. Jetzt sogar Streit mit dem Therapeuten. Das läuft wirklich alles nicht normal.
    Er lässt das Telefon eine Weile ausgeschaltet, falls Borowski zurückruft. Er will nicht mit ihm sprechen, weil er befürchtet, dass Borowski recht hat. Ich sollte jetzt nicht allein sein, denkt Müller, ich verhalte mich sonderbar. Er ruft Manfred an. Der ist noch im Labor, es wird noch einige Stunden dauern, dann kommt er nach Oberlunkhofen raus.
    Die Dunkelheit bricht gerade an, gegen zweiundzwanzig Uhr ist es, als Manfred auf dem Schwendihof eintrifft. Er bringt eine Papppackung Falafel vom Imbiss bei der Sihlporte mit. Vegetarisch, weil das viele Schwein ihnen zusetzt. Die vielen toten und die zu einem Riesenschinken gerollten. Das war einfach zu viel Fleisch aufs Mal. Obwohl sie heute Nacht noch einiges vorhaben und gestärkt sein sollten.
    Der Müller hat keinen Appetit. Die Falafel bleiben in der Packung. Schon das Abendessenangebot von Angsts hat er abgelehnt. Ein belegtes Brot haben sie ihm trotzdem gebracht. Es liegt noch immer auf dem Teller, den er in die Fensteröffnung gestellt hat.
    »Du solltest etwas essen«, sagt Bucher Manfred. Der Müller will nicht, sagt, er habe am Mittag eine Suppe gegessen. Jetzt keinen Appetit.
    Und er sagt: »Erzähl mir von den Analysen.«
    Und so erfährt er, und weil wir zuhören, erfahren wir es auch, nämlich Folgendes:
    Die Analysen des beschlagnahmten und evakuierten Riesenrollschinkens ergeben an technischen Daten: Länge: 185   Zentimeter; Durchmesser an der dicksten Stelle: 65   Zentimeter; Gewicht: 95   Kilogramm. Sie ergeben, dass sich der vorgefundene Fleischgegenstand aus den Schinken von insgesamt zwölf Schweinen zusammensetzt. Es handelt sich nicht um Bioschweine, da Kuhn Spuren von Kraftfutter im Muskelgewebe isolieren konnte. Die unbekannte Täterschaft hat diese Schinken an einem unbekannten Ort fachmännisch zu einem Riesenschinken zusammengebaut. Das Objekt ist nicht vergiftet, sondern wäre vermutlich noch geniessbar. Es muss, das beweisen Knickungen im Stroheinstreu des Stalls und darin sichergestellte Textilfasern, von mindestens zwei Personen in den Stall getragen und in der hinteren Ecke deponiert worden sein, so, dass es an der Wand lehnte und somit nicht umstürzte.
    Ferner: Die im Rollschinken bestimmte DNS stimmt mit den Angst-Schweinen nicht überein, sondern stammt von einem anderen Schweinevolk. Der Rollschinken ist also, muss man der Vollständigkeit halber festhalten, nicht aus den Schwendihof-Schweinen gemacht. Das ist besonders merkwürdig, finde ich. Ich meine: Wer macht sich eine solche Saumühe, tötet Schweine, fabriziert

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