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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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aus nochmals anderen Schweinen einen Rollschinken dieser Grösse, transportiert das in den Aargau und stellt das Teil in den Stall des Besitzers von anderswie verstorbenen Tieren?
    Und da sind wir beim Grund, warum der Müller und sein Freund jetzt im Schweinestall vom Heini Angst die leere hinterste Ecke bewachen.
    Stehen also da im Dunkeln, die beiden, hinter einem Stapel Strohballen zur Deckung. Plötzlich ein heftiger Windstoss. Die hintere Stalltür, die zur Weide, geht auf. Zwei, drei Meter neben ihrem Schlupfwinkel. Auf einmal hören sie ein Grunzen. Zwei Grunzen, drei Grunzen. Das Sternenlicht von draussen beleuchtet ihnen eine kleine Schweineprozession. Ferkel, Jager und Muttersauen kommen in den Stall, sie riechen wohl das frische Stroh – und die beiden fremden Männer.
    Was tust du, wenn plötzlich die Schweine an deinen Hosenbeinen herumschnüffeln? Zumal du seit Jahrzehnten in der Stadt wohnst und Schweine nur noch in ihrer verarbeiteten Form aus der Nähe erlebt hast? Müller und Bucher wissen, bei welchem Metzger sie kaufen, welche Stücke von ihnen, wie braten, würzen, marinieren, einlegen und tranchieren und wie sie an einer guten Sauce schmecken, mit einem Rotwein … aber das wollen sie den Schweinen nicht erzählen, um sie nicht zu verschrecken oder zornig zu machen. Schweine sind empfindsame Wesen, und sie haben das Recht, zeitlebens glücklich zu sein. Da sind sich Bucher Manfred und der Müller immer einig gewesen. Aber das ist theoretisches Wissen, idealistisch. Denn in der Praxis, wenn du im finsteren Stall plötzlich von leibhaftigen Schweinen umringt bist, was tust du da? Sie versuchen die Schweine sanft mit der Hand abzuwehren. Sie haben Respekt vor ihnen, und das Letzte, was sie im Sinn haben, ist, im Schweinevolk eine Panik auszulösen. Weil Panik  Lärm  stört allfällige Delinquenten, die zum Tatort zurückkehren.
    Was tun der Müller und Bucher Manfred also? Sie stehen stocksteif und hoffen, dass das vorübergeht. Aber es dauert. Schweine sind neugierige Tiere. Sie schnüffeln und grunzen und wühlen mit ihren Rüsseln im Stroh, schlecken Müllers Schuhe. Das Herz in der Hose. Sich an der Wand abstützen. Müller ruft halblaut: »He« und »hu« und »kschksch«. Aber die Schweine verstehen die Bedeutung dieser Laute nicht. Schliesslich ist es ihr Stall, während der kalten Jahreszeit.
    Der Belagerungszustand dauert ewig. Aber dem Müller scheint, die Schweine gewöhnten sich an ihn. Die ganze Zeit über traut er sich nicht, mit Manfred zu sprechen. Der sagt auch nichts. Sie stellen sich tot. Die Schweine trollen sich in andere Ecken. Aber ihr Geruch ist noch ganz nah. Der Müller tritt in etwas Feuchtes, Klebriges, das riecht.
    Ja, Schweine sind nachtaktive Tiere, genau wie heute der Müller und Manfred, unsere beiden Fahnder.
    Aber jetzt still.
    »Die Gefahr ist vorüber«, flüstert Bucher Manfred dem Müller zu. Der nickt. Aber weil es dunkel ist, sieht Manfred das nicht. Also sagt der Müller leise: »Ja.« Sie setzen sich hinter dem Strohballenstapelrefugium auf den Boden, die leere Ecke im Blick, und sie lauschen. Die Schweine atmen und grunzen und schnüffeln weiter und schmatzen, scharren und stossen mit ihren feuchten Schnauzen gegeneinander, kitzeln sich gegenseitig mit den Ringelschwänzchen. Aber das können Müller und Bucher Manfred nicht hören, nur fühlen. Die Schweine haben sich zwar etwas von ihren zwei neuen Freunden zurückgezogen, aber nur vorübergehend. Weil sie gesellige Tiere sind, möchten sie immer noch mit ihnen kommunizieren, Müller und Bucher Manfred bleiben zurückhaltend.
    Allmählich gewöhnen sie sich an den Körperkontakt mit den Schweinen – eigentlich ist es nicht schlimmer, als unter vielen Menschen zu sein. Schweine sind sauber, vor allem glückliche Schweine sind sauber, und hier auf dem Schwendihof ist alles sehr sauber. Riechen tun sie schon ein wenig, aber das ist normal. Viele Menschen auf einem Haufen riechen auch. Zum Glück gibt es gutes anionisches Waschmittel, was das heimische Gewässer nicht so belastet, eigentlich fast weniger als …
    Aber jetzt still, ich Schwätzer! Weil die vordere Eingangstür … sie knarrt … und es ist diesmal nicht der Wind, der … es ist … ein Schatten … ein Silhouettenumriss ist im Eingang … ganz klar zu erkennen … zeichnet sich ab gegen den helleren Hintergrund … weil draussen ist klarer Himmel, Sternenlicht. Müller und Bucher Manfred sind wachsam, sprungbereit, spannen ihre

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