Muenchen Blues
Immobiliengeschäft legten. Vielleicht weil die Umwandlung eines Wohnhauses in ein Puff eine Luxussanierung erster Güteklasse war. Oder weil sie sich später mit ihrem Metier in Gewerbegebiete einkaufen mussten und gelernt hatten, wie man einen Mehrzweckbau durch ein paar Schalterknipser und ein bisschen Deko in eine Lasterhöhle verwandelt. Oder weil sie einfach Geld genug hatten.
Mit den Olympischen Spielen in München war Schluss damit. Bei den dort zu vergebenden Projekten musste schon im größeren Stil hinbetoniert werden. Das war die Stunde der Baulöwen, die ursprünglich aus Architekten- oder Bauingenieursfamilien kamen. Baulöwen waren fleischige Kerle mit rotem Schädel und schlohweißem Haarkranz, die nebenberuflich Brauereien besaßen. Wenn einer das geschafft hatte, wollte sich niemand beklagen, selbst wenn der Bursche dieganze Stadt mit Beton zugeschissen hatte. Der Brauereibesitzer ist nämlich in München der Unternehmer schlechthin. Jeder Depp versteht hierzulande, dass man mit viel Bier viel und mit mehr Bier noch mehr erreichen kann. Dieses Geschäft kann nie schiefgehen, weil sogar dem kampftrinkenden Proll in Giesing der Weltruf des Münchner Biers tagtäglich heimleuchtet. Und alle zusammen – Unternehmer, Depp und Proll – schmunzeln vor sich hin, wenn ein radebrechender Ire aus unserem Löwenbräu ein »Launbrau« macht.
– Ja, so ist er, der Ire, ein bissel ungeschickt halt, aber es schmeckt ihm auch so!
Beispielhaft erzählt man sich in München die Geschichte des Baulöwen Arnulf Ebenteuer, an dem jahrzehntelang kein Großauftrag vorbeiging. Arnulf machte beim Hendl- und Knödelessen oder als Hobbyflieger eine gleichermaßen gute Figur. In seiner auswärtigen Jagd durften Prominente abschießen, was ihnen vor die Flinte lief. Er kam eigentlich aus einem Bad Tölzer Holzhaus in die Großstadt, allerdings gut wattiert, weil sein Vater die Aufwertung von Acker- zu Bauland miterleben durfte. Aus der Anfangszeit seiner beruflichen Karriere als Architekt hatte er Pläne für ein eigenes Haus in der Schublade. Das war auch im bäuerlichen Stil gehalten und sollte überwiegend aus Holz gefertigt werden. Diese ländlich-friedliche Vision stand fast schon zur Realisierung an, da schaffte Ebenteuer einen Durchbruch, auf den er nicht zu hoffen gewagt hatte: Er bekam den Zuschlag für die Planung und Durchführung von Erweiterungsbauten auf dem Gelände des Bundesnachrichtendienstes in Pullach. Die Unterbringung von hochsicherheitsempfindlichem Material durchdenken zu müssen, veränderte Ebenteuers architektonischen Blickvollständig. Es hat etwas von ausgleichender Gerechtigkeit, dass er sich und den Seinen ausgerechnet in dieser Phase des Schaffens das Eigenheim hinstellte. Jetzt wollte er auch einmal so richtig hinklotzen. Nach außen hin trutzig, nach innen großzügig, so wünschte es Ebenteuer. Heute sprechen Eingeweihte von der Eleganz und architektonischen Geschmeidigkeit eines Führerbunkers. Im Keller befand sich ein Pool vom Ausmaß eines städtischen Bads. Weil sich aber das Öl sprunghaft verteuerte, wuchsen die Unterhaltungskosten ins Unermessliche. Der Sohn und Erbe, der aus Buße das ganze Geld in glückliche Ökoschweine investierte, ließ den Pool mit Holzplatten zunageln und stellte eine Tischtennisplatte darauf.
Diese Niederlage musste der alte Ebenteuer nicht mehr miterleben. In den Jahren vor der Olympiade, als in München die Bautätigkeit am heftigsten war, entrichtete er einen letzten Tribut für seinen ruinösen Arbeits- und Lebensstil. Mit Geschäftsfreunden saß er auf dem Oktoberfest in einer von ihm gemieteten Box der Ochsenbraterei und hielt, wie immer, die Gesellschaft aus. Es wurde gegessen, getrunken und später, als die Köpfe schon röter geworden waren, auch gesungen. Dann, um halb elf, leerte sich das Zelt, und Ebenteuer stapfte mit den verbliebenen vier Freunden durch feuchtes Sägemehl hindurch ins Pissoir, um ein letztes Mal Wasser abzuschlagen. Breitbeinig steif, vor und zurück schwankend, standen sie vor dem blechgrauen, über die gesamte Wand laufenden Becken und starrten auf den Pissstrahl hinunter. Gratzl aus dem Tiefbauamt versuchte, den Tropfen heftig abzuschütteln, sodass Brötzmann vom Ortsverein München sagte, dass der Kleine durchaus Chancen hätte, größer zu werden, wenn Gratzl ihn so weiterbearbeite. Das Gelächter, das daraufhin ausbrach, ließdie Stirnadern der Herren schwellen und rötete die Köpfe noch mehr. Ebenteuer war jetzt
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