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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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der zweite Teil des Papiers: Man erörterte verschiedene Stadtentwicklungsmodelle, vor allem die künftige Platzierung des Schlachthofs. Mich interessierte das wenig, wo den Tieren künftig der Garaus gemacht werden würde. Logistisch optimal eben, dort wo viele an- und wiederabfahren konnten, in der Peripherie irgendwo an der Autobahn. Umso mehr aber beschäftigte mich der Teil, in dem das Schicksal des gegenwärtigen Schlachthofgeländes diskutiert wurde. Das gesamte Areal sollte in ein attraktives, innerstädtisches Wohnquartier umgewandelt werden. Jedem Immobilienfritzen würde bei dieser Aussicht das Wasser im Mund sturzbachartig zusammenlaufen.
    Und wie schön das klang: Quartier. Man musste nur anklopfen, und es würde einem aufgetan. Schon säße man in einer bildhübschen Wohnung und schaute vom Balkon aus auf die Theresienwiese und die Bavaria hinüber. Auch die übrige Struktur des Viertels würde sich verändern. Plötzlich bliebe der Gestank aus, und man könnte endlich sein Biofleisch wieder einfach im Laden kaufen, in den viele, viele Bählämmchen heimlich in der Nacht ganz unblutig im Ökosäckchen ihre Koteletts hintrugen, um den Menschen so richtig glücklich zu machen. Niemand müsste mehr mitbekommen, wie grausame Geschäftsleute für schnödes Fleisch Tiere ermorden. Und dann stünden viele Leute im nicht mehr stinkenden und zerdengelten Schlachthofviertel und würden schwärmen: Mein Gott, ist das schön hier.
    Dann hätten Julius und ich nur noch eine Chance, indem auch wir im Latte-macchiato-Ausschank Fuß fassten und meine Ladenklitsche in ein schmuckes Café verwandelten, wo wir unsere selbst gedrehten belgischen Pralinés und handgeschnitzten Katzenzungen anböten. Allerdings eigneten sich so schartige Kerle wie wir nur noch für den Backstagebereich, Möhrchen für den Kuchen hobeln und ähnliche Arbeiten. Vorne an der Kundenrampe brauchte man ein sexy Frontend mit bildhübschem Nabel und Arschgeweih, weil der Kunde injeder Lage etwas Ansprechendes zu sehen bekommen wollte. Und die Scharen von Mädels, die im Glockenbachviertel keine entsprechende Position mehr gefunden hatten, würden dann in unser Schlachhofquartier hochpilgern. Und die vielen Arbeitslosen, die mit Bier und Schnaps ständig vor ihrem Amt herumlungerten, das nun eine Agentur war, würden stattdessen gesittet auf Bistrostühlchen sitzen und an einem kurzen Schwarzen nippen.
    Mein lieber Ernst Hirschböck! So etwas konnte sich nur ein Mensch ausdenken, der in Niederottling einen unverbaubaren Ausblick auf die Ilz genießen darf. Bei Rübl hatte ich eine historisch bedingte Gnadenmiete. Weil der Laden noch nie viel gebracht hatte. Und die Ausstattung meiner Wohnung war unter Standard, daher billig. Wenn wir erst Quartier geworden waren, konnte man mit seiner Handkarre nur noch in die Au oder nach Giesing flüchten.
    Ich nahm mir noch ein Schnittchen. Zwischendurch hatte es mir den Appetit verschlagen. Jetzt mal so traurige Schicksale wie die unseren beiseite, was war denn das Brisante an diesem Papier, dass Maier zwo und Müller fünf ganz München danach durchkämmten? Nach einer Weile dämmerte es mir. Wenn der Plan publik wurde, ging alles seinen normalen Gang. Einige rieben sich die Hände, einige freuten sich auf das neue Kinderzimmer, ein paar wenige so wie ich bekamen einen dicken Hals. Das würde so kommen, da brauchte sich niemand etwas vorzumachen. Solange der Plan aber nur ein paar geschäftlich Interessierten bekannt war, hatten die einen großen, geldwerten Vorsprung. Sie konnten jetzt schon damit beginnen, sich auf die Aufwertung des Viertels vorzubereiten. Sie würden Leuten wie Rübl das Haus für ein Butterbrotabkaufen und sie mit Blumenstrauß in ein Heim für betreutes Wohnen verabschieden. In diesem ganzen Zusammenhang war Julius nur ein unbedeutender Kollateralschaden. Um seine Lyoner-kontaminierte Bude ging es nicht wirklich.
    Ich legte das Exposé beiseite. Rechtzeitig genug, bevor Julius hereinbrach.
    – Alles noch da! Wir müssen sofort los.
    Diese forschen Töne kannte ich gar nicht mehr an ihm. Spätestens jetzt schwante mir, dass das für mich keine gute Nachricht war. Solange Julius keinen Zugang zu seinem Wohnbüro hatte, würde sein ganzer Hausrat bei mir herumstehen. Er machte nicht den Eindruck, sich etwas anderes auch nur vorzustellen.
    – Hör zu, Julius. Du nimmst meinen Bus mit dem Hänger und machst das ohne mich. Ich habe hier ein Geschäft, verstehst du. Außerdem eine lädierte

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