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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Adresse vom Schilcher, einer Entsorgungsfirma. Dort ist noch, wenn du Glück hast, der ganze Krempel in einem Container. Und wegen der Wohnung, das ist nicht mein Bier.
    Aber dieses hier war es: Ich hielt ihm zur Belohnung nocheinmal das Glas hin. Dann zog ich die Schublade auf. Dort warteten zwei Überraschungen auf mich. Tatsächlich lag obenauf die Karte von Alfred Schilcher, Müllentsorgung. Direkt daneben befand sich ein Manuskript, das oben rechts der Vermerk »Persönlich! Vertraulich!« zierte. Was mich jedoch elektrisierte, war der Name des Verfassers: Ernst Hirschböck, Staatsministerium für Wirtschaft. Adi hatte das von Maier zwo und Müller fünf so dringlich gesuchte Exposé. Der Schreibtisch war Sichtschutz genug, und ich ließ es von Adi unbemerkt auf meinen Schoß gleiten. Später schob ich das Papier unter meine Jacke. Darüber hätte es viel zu reden gegeben, aber für heute schien mir seine Verträglichkeit ausgereizt. Meine auch. Ich lockerte seine Handfessel, sodass er sie nach kurzer Zeit selbst mühelos abstreifen können würde, und verließ den Laden.
    – Habe die Ehre, verabschiedete ich mich.

12
    Den Bus parkte ich gleich rückwärts in der Einfahrt bei meinem Laden ein. Der Hof wurde komplett von Elvis’ »In the ghetto« beschallt. Rübl, mein Hausbesitzer, ist durch seine jahrzehntelange Arbeit als Autolackierer nicht nur halb debil, sondern neuerdings zunehmend schwerhörig geworden. Aber ein Hauswirt konnte die Lautstärke beliebig hochballern, da blieb man gelassen und freundlich, bisweilen sogar demütig, wenn man sich das Schicksal von Julius vor Augen hielt. Und es hätte ja schlimmer kommen können als mit Musik von Elvis. Wenn Frau Ziesel von gegenüber ihr Kaffeekränzchen abhielt, legten die Damen gerne mal Alexandra auf und ließen sich von ihrer Sehnsucht nach Balalaika und Taiga betören. Rübl öffnete das Fenster und schaute herunter. Autos in jeder Form interessierten ihn, vor allem solche, die in seinen Hof fuhren.
    – Grüß Gott, Chef, schrie ich hoch.
    Da freute er sich und grinste auf den Stockzähnen. Dann deutete er einen mit zwei Fingern ausgeführten lässigen militärische Gruß an und schloss das Fenster wieder.
    Julius stand in der Küche mit meinem großen Küchenbrett in den Händen. Darauf waren appetitliche Schnittchen arrangiert, überschlagsweise zwanzig Stück. Während ich mich windelweich klopfen ließ, saß diese Made bei mir zu Hause und schlug sich mit den Köstlichkeiten aus meinem Kühlschrank den Bauch voll.
    – Erwartest du Besuch, fragte ich. Oder gibt es ein Picknick auf dem Hof?
    Julius lief knallrot an. Dann hielt er mir das Brett hin.
    – Bitte, bedien dich doch.
    Erst jetzt bemerkte er, dass ich gesichtsmäßig seinem Mettbrötchen in nichts nachstand.
    – Oh Gott, was hast du denn gemacht?
    – Bekanntschaft mit einem Catcher. Keine Fragen jetzt, bitte später mal, ja?
    Ich holte mir einen großen Teller aus dem Schrank und räumte die Hälfte der Schnittchen ab. Aus meiner Jackentasche zog ich die Visitenkarte von Schilcher.
    – Ich lege jetzt mal die Beine hoch. Und du rufst bei dieserFirma an. Wenn du Glück hast, steht dein ganzer Krempel in einem Container bei dem im Hof. Okay?
    Da Julius keinen Anstalten machte, das Brett abzustellen, das er immer noch beidhändig festhielt, steckte ich ihm die Karte einfach zwischen die Zähne. Mit einem Klaps auf den Po schickte ich ihn nach nebenan.
    – Und jetzt ab mit dir, du Untier!
    Auch in der Küche stand bei mir ein bequemer Sessel. In den ließ ich mich fallen. Schließlich zog ich das Exposé heraus. Auf diese Lektüre war ich ziemlich gespannt. Schnittchen kauend und lesend saß ich da.
    Der erste Teil des Exposés fasste eine Studie zusammen, die das Ministerium in Auftrag gegeben hatte. Danach war der Schlachthof ein Überbleibsel aus früheren Zeiten, das heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden konnte. Die Innenstadtlage war zum Nadelöhr geworden. Nachts fuhren die Laster über die engen und verwinkelten Straßen hinein und lieferten das Vieh an. Ebenfalls nachts fuhren sie wieder hinaus, um das Schlachtgut wegzuschaffen. Tagsüber hätten sie ein totales Verkehrschaos verursacht. Die großen fleischverarbeitenden Betriebe waren längst nicht mehr im Zentrum angesiedelt, sondern im billigen Gewerbegebiet außerhalb. Der einzige Sinn dieser Übung bestand offenbar darin, dem lieben Vieh eine Farewell-Tour in die Landeshauptstadt München zu spendieren.
    Nun begann

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