Muenchen Blues
wie ich sein Halbwissen größtenteils aus Filmen bezieht, unter denen ja viele englische waren, die man als OmU gesehen hatte, kann man doch am ehesten über Liebe, Sex und ihre Verirrungen sprechen. Also erzählte ich ihm eine heftige Geschichte über meine Frau und unsere scheußlichen Praktiken. Genau genommen wollte ich gar nicht vorgeben, verheiratet zu sein, ich brachte nur ein paar Mal »woman« und »wife« durcheinander. Dann war es aber auch schon egal und eigentlich umso schlimmer, wenn man mit dem angetrauten Weib so verfuhr. Er hörte mir ganz genau zu. Als ich geendet hatte, schwieg er. Er tat mir aufrichtig leid, aber dies war doch wirklich ein Notfall.
– Sie sind also verheiratet, fragte er.
– Ja, sagte ich.
Wieder schwieg er lange und bedachte seine nächsten Worte genau.
– Und sie mag das.
– Ja.
– Dann sagen Sie mir, wo Ihr Problem ist.
Jetzt war es an mir zu schweigen. Bevor es peinlich wurde, machte er ein Friedensangebot.
– Benutzen Sie Kondome?
– Immer, sagte ich erleichtert.
Endlich hatten wir eine richtige Sünde gefunden. Er erklärte mir, dass das vom Standpunkt der Kirche aus widernatürlich sei und ich es unterlassen solle. Dann betete er für mich und entließ mich.
Erleichtert schlüpfte ich aus dem Beichtstuhl. Die beiden Quälgeister waren weg. Aber ich fühlte mich auch sonst auf wunderbare Weise erquickt. Wenn man meine Worte so aussieben musste, um eine Sünde zu finden, dann war ich womöglich doch ein guter Mensch.
14
Über Münchens ehemals letzten landwirtschaftlichen Betrieb, den Stemmerhof, fuhr ich zur Lindwurmstraße. In ihrer heutigen Gestalt verrät die Anlage, wie man einen Bebauungsplan zum Bußwerk umdeuten kann. Hier leistet der Sendlinger mit einer Ansammlung von allen möglichen irgendwie grünen, therapeutischen oder künstlerischen Betrieben für den Frevel Wiedergutmachung, Anfang der neunziger Jahre die letzte euterwarme innerstädtische Zapfstelle für Milch stillgelegt zu haben. Gegenüber, vom Sendlinger Berg aus, muss man das Rad nur laufen lassen, bis es einen kleinen Anstieg hinter der Unterführung gibt, dann bin ich so gut wie zu Hause. Auf dem luftigen Weg wurde mir ganz klar, dass ich das Exposé so schnell wie möglich an einen sicheren Ort bringen musste. Es war nicht auszuschließen, dass bald ein paar deutlich ungehobeltere Polizisten bei mir auftauchten. Als ich ankam, stieß ich auf einen strahlenden Julius, der im Hof seine Habseligkeiten sortierte.
– Ich habe fast alles wiedergekriegt, erzählte er. Sogar meine Gitarre.
Stolz hielt er seine alte Höfner hoch.
– Und was machen wir jetzt mit meinen Sachen? Ich meine: wohin?
Dieses Wort in der ersten Person Mehrzahl legte sich mir um den Hals wie eine Würgeschlange. Dabei hatte ich noch ein anderes dringendes Problem.
– Wir decken eine Plane über den Hänger und denken darüber nach, wie es weitergeht.
Julius nickte traurig. Er dreht sich um und schlich schulterhängend davon.
– Julius, rief ich. Stopp!
Wie in Zeitlupe drehte er sich um.
– Mein Laden und meine beiden Zimmerchen sind gesteckt voll. Sollen wir eine zweite Etage einziehen? Oder was denkst du?
Resigniert zuckte er die Achseln.
– Ich weiß ja auch nicht, räumte er ein. Das ist doch das Schlimme. Echt keinen blassen Dunst. Null.
Dabei hatte ich schon längst verstanden.
– In zehn Minuten bin ich wieder da. Dann wird uns schon was einfallen. Okay?
Ich wetzte hinein, holte das Hirschböck-Papier, schwang mich wieder aufs Rad und fuhr hinüber zum Zenettiplatz zu Ben’s Kraftstudio. Bei ihm habe ich als Stammkunde einen Spind, den ich dauerhaft belegen kann. Ich bewahre dort meine Sportsachen auf. Hier deponierte ich das Exposé.
Als ich wieder zurückkam, war das Befürchtete eingetreten. Maier zwo und Müller fünf hatten Julius in die Mangel genommen. Wie gut, dass er von nichts wusste. Maier, der Schüchterne, trug heute eine graue Weste mit vielen Taschen, die verdammt schusssicher aussah. Müller hatte eine schwarze Lederjacke an. Offenbar war Grobarbeit angesagt, und passend dazu strahlten beide den Charme eines Tiefdruckgebiets aus.
– Na endlich, rief Maier.
– Wie wir hören, haben Sie ein Alibi, ergänzte Müller.
– Herr Balser möchte bestätigen, dass Sie ausschließlich mit ihm zusammen gewesen sind. Wie heldenmütig!
In der Tat! Das war barer Unsinn, dass sich Julius so in Gefahr brachte, aber es rührte mich.
– Wissen Sie, sagte Müller, Sie sind schon
Weitere Kostenlose Bücher