Muenchen Blues
Fresse.
Ich warf ihm den Schlüssel zu. Julius hob beschwichtigend die Hände und zog sich unablässig nickend im Rückwärtsgang zurück.
– Ist in Ordnung. Ist absolut in Ordnung. Kein Problem.
13
Mongolen-Adi nicht zu dem Exposé befragt zu haben, schien mir nun doch ein Riesenfehler. Wenn man Scheiße gebaut hat, kann man viel Energie darauf verwenden, sich das irgendwie schönzureden. Viele klopfen sich die Ereignisse so lange zurecht, bis sie überzeugt sind, dass kein Mensch das besser hinbringen würde. Ich halte nichts davon. Wenn du danebengehauen hast, dann holst du am besten sofort zum zweiten Schlag aus. Und der muss sitzen. Ich hängte mein Abwesenheitsschild in die Ladentür und schnappte mir das Fahrrad.
Bald war ich am Ratzinger Platz angekommen. Einen wirklich guten Plan hatte ich nicht, außer noch mal in den Laden hineinzugehen und zu schauen, was sich daraus ergeben würde. Das Fahrrad stellte ich vorsichtshalber ein Stück entfernt ab.
Die Ladentür klemmte. Ich drückte dagegen, schließlich ging sie auf. Das Schloss hatte ich ja höchstpersönlich eingetreten. Nach Adi brauchte ich gar nicht zu rufen, der saß immer noch auf demselben Stuhl, scheinbar unverändert, seitdem ich ihn verlassen hatte. Allerdings war das Bild in wesentlichen Details anders. Mit dem Kabel war er wieder fest an den Stuhl gebunden, seine Hosen waren hochgezogen und an der Schläfe hatte er ein hässliches, blutverkrustetes Loch.
Ich begriff sofort, dass ich nun bös in der Klemme saß. Da hatte sich jemand mein Arrangement zunutze gemacht und Adi regelrecht hingerichtet. Mir wurde ganz flatterig in der Herzgegend. Trotzdem schaute ich den alten Kämpfer noch einmal genau an, ob ihm noch irgendwie geholfen werden konnte. Aber da war nichts mehr zu retten. Nur noch meine Haut. Ich lief aus dem Laden und zog die Tür zu.
Nur keine Panik jetzt, sagte ich mir. Betont bedächtig ging ich zu meinem Rad. Als ich das Schloss aufsperrte, stand Muttchen vor mir.
– Na also, sagte sie, jetzt geht es doch schon wieder. Wenn man wieder Rad fahren kann.
Verdammte Hacke! Weder der graue Star noch die schnapsglasdicke Brille dieser Trümmerfrau reichten aus, um ihr Adlerauge entscheidend zu schwächen. Ich schwang mich aufs Rad und fuhr davon. Dann ging es ganz schnell. Zwei, drei Fahrzeuge hielten vor Adis Laden. Zivilpolizei. Ich trat schneller in die Pedale, hatte aber bald das ungute Gefühl, dass mir jemand auf den Fersen war. Wie die wilde Wutz preschte ich die Passauer Straße entlang. Trotz der niedrigen Temperaturen lief mir der Schweiß den Rücken hinunter. Immer wieder drehte ich mich um. Ein grauer Audi kämpfte sich durch den stockenden Verkehr und blieb immer in Reichweite. Alle meine Finten, wie Gehweg, Klein- und Einbahnstraßen, halfen nichts. Am Margaretenplatz war ich so entnervt, dass ich mein Fahrrad in einen Hinterhof schmiss und über die Grünanlage in die neue Sendlinger Kirche rannte.
Ich wollte dort eigentlich nur ein wenig verschnaufen, aber mit halbem Auge bemerkte ich gerade noch rechtzeitig, dass Maier zwo und Müller fünf die Kirche betraten. Nun war jedes Mittel recht, ich schlüpfte in den Beichtstuhl.
– Gelobt sei Jesus Christus, sagte der Geistliche und zog die Vorhänge zu.
Ich saß in der Falle. Mein Stimme würde mich verraten.
– English spoken?, fragte ich.
Er räusperte sich nebenan.
– Yes.
Meine letzte Beichte liegt Jahrzehnte zurück. Damals hatte man noch einen Beichtspiegel und sagte einfach alles, was da drin stand. Dass man zu wenig gebetet, öfters mal die Messe versäumt, Unkeusches in Wort, Tat und Gedanken vollzogen und zu viele Süßigkeiten genascht hatte. Dann bekam manein, zwei Gebete zur Buße, je nachdem, wie man geständnismäßig hingelangt hatte. Damit war der Fall erledigt und die Seele wieder weiß wie frischer Schnee. Mit solchem Kinderkram konnte ich hier aber nichts ausrichten. Zudem stand ich zurzeit auch bei zerknirschter Gewissenserforschung moralisch ziemlich gut im Saft. Beichtwürdig wäre nur gewesen, dass ich meinen armen Bruder Hiob, Herrn Julius Balser, zwar aufgenommen hatte, ihn aber nicht geduldig genug ertragen wollte. Geschenkt! Draußen raschelten Maier zwo und Müller fünf herum.
Außerdem war ich sprachlich behindert. Kein einziges dieser Beichtspiegeldelikte konnte ich auf Englisch sagen. Ich wusste noch nicht einmal mit Bestimmtheit, ob das Wort Keuschheit und ihr Gegenspieler in diesem Sprachraum bekannt sind. Wer aber
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