Muenchen - eine Stadt in Biographien
wunderbaren »Vier letzten Lieder« Sie kreisen um die großen Themen Tod und Abschied, sicherlich auch vor dem Hintergrund des entsetzlichen deutschen Krieges. Womöglich machte er sich Vorwürfe, dass er nicht konsequenter und bestimmter gehandelt hatte. Im Alter von 85 und in Erwartung des eigenen Todes sind solche Gedanken nicht abwegig. Sie flossen in diese schönsten Kompositionen des Strauss’schen Werks ein. Wenige Monate vor seinem Tod gab er im Münchner
Prinzregententheater
23 ( ▶ K 5 ) am 11 . Juni 1949 sein letztes öffentliches Konzert. Die Urne mit seiner Asche stand viele Jahre in der Garmischer Villa. Sie wurde dann im Familiengrab auf dem Friedhof Garmisch beigesetzt.
Natürlich hat ihm München ein Denkmal gesetzt: der Richard-Strauss-Brunnen 25 ( ▶ D 5 ) in der Fußgängerzone. Eine hohe Rundsäule mit Szenen aus der Oper »Salome«. Aus einem flachen Teller plätschern Wasserkaskaden nieder wie ein Bühnenvorhang, der sich am Ende der Vorstellung herabsenkt. Nur die Straßenmusikanten, die sich den Brunnen als Kulisse auswählen, spielen immer weiter – ihre Bühne braucht keinen Vorhang.
HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND THEATER MÜNCHEN 15 ▶ D 3
Arcisstraße 12 , Maxvorstadt
www.musikhochschule-muenchen.de
▶ U-Bahn: Königsplatz
RICHARD-STRAUSS-BRUNNEN 25 ▶ D 5
Neuhauser Straße, Altstadt
▶ U- und S-Bahn: Karlsplatz (Stachus)
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FRANK WEDEKIND
1864 – 1918
Der Dichter und Dramatiker war dem konservativen Kulturestablishment immer ein Dorn im Auge. Man zensierte ihn und steckte ihn sogar ins Gefängnis. Selbst sein Ende sorgte für einen großen Skandal.
I n einer lauen Juninacht des Jahres 1962 , es war kurz nach 22.30 Uhr, setzten sich fünf junge Straßenmusiker auf den erst drei Jahre zuvor eingeweihten
Wedekindplatz,
um die steinerne Schöne herum, die eine Lyra hält. Sie rauchten, tranken Bier, und sie spielten, ohne Verstärker, auf akustischen Gitarren.
Für die Anwohner, die solches nicht gewöhnt waren, besonders für einen dort wohnenden Stadtrat, muss das unerträglich laut geklungen haben. Er versuchte, mit gewohnt herrischen Worten aus dem Fenster für Ruhe zu sorgen, und rief, als das nichts half, die Polizei. Die Musiker blieben sitzen. Als man sie mit Knüppeln verjagen wollte, wehrten sie sich und fingen an zu pöbeln. Berichte über den Vorfall verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, schon in der nächsten Nacht versammelten sich über 40 000 empörte junge Leute. In der gesamten Umgebung der Ludwig-Maximilians-Universität kam es zu Straßenschlachten zwischen Polizisten und Demonstranten. Immer lauter wurden die Forderungen nach dem Ende des Obrigkeitsstaates. Sechs Jahre vor 1968 waren die Schwabinger Krawalle, wie man die ein paar Tage dauernden Straßenschlachten nannte, zum Symbol des Aufbruchs in eine neue Zeit geworden.
Ein paar Straßen vom
Wedekindplatz
entfernt, in der Kaulbachstraße, war fast 70 Jahre zuvor im Verlag Albert Langen der »Simplicissimus« erschienen, die bissigste, brillanteste und künstlerisch anspruchsvollste Satirezeitschrift des Kaiserreichs. In der Türkenstraße traten die »Elf Scharfrichter« auf, das erste moderne deutsche Kabarett, unweit entfernt schufen die »Kosmiker« um Stefan George neue Sprachformen. Die Zeitschrift »Jugend« des Münchner Verlegers Georg Hirth war so erfolgreich, dass ein Stil nach ihr benannt wurde. In der Feilitzschstraße schrieb Thomas Mann seine »Buddenbrooks«, und in der Kaiserstraße feilte Lenin am Kommunistischen Manifest. Schon einmal, um 1900 , war München Ausgangspunkt bahnbrechender Impulse gewesen.
40 Jahre haben die Münchner Stadtväter gebraucht, bis sie dem Dichter und Dramatiker Frank Wedekind, der mehr als viele andere zum Ruhm der Kunststadt München beigetragen hatte, einen Platz zubilligten. Dass die Schwabinger Krawalle gerade am Wedekindplatz ihren Anfang nahmen, ist nicht ohne Ironie: Kein Autor seiner Generation war so von Zensurmaßnahmen geknechtet worden wie er.
Wedekinds Stücke wurden als Bedrohung empfunden. Man hatte Angst, der Anstand komme unter die Räder. Mütter schließt eure Töchter weg! Doch die Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber. Als 1908 sein Stück »Frühlings Erwachen« in München gespielt werden sollte, das er 1891 hier geschrieben hatte und das seit seiner Berliner Uraufführung durch Max Reinhardt 1906 bereits als moderner Klassiker galt und landauf, landab gespielt wurde, trat der »Münchner Zensurbeirat« in
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