Münsterland ist abgebrannt
bemerkt?», fragte Susanne.
«Oh, nicht oft. Vielleicht einmal im Monat.»
«Und Sie denken, dass es sich um unterschiedliche Frauen handelte?»
«Ja, das denke ich. Nur so ein Gefühl.»
«Und warum haben Sie davon bei Ihrer ersten Befragung nichts erwähnt?», hakte Bastian nach.
«Weil Ihr Kollege mich nicht danach gefragt hat.»
Das kaufte ihr Bastian ohne weiteres ab. Udo Deilbach war nicht dafür bekannt, dass er andere als die naheliegendsten Fragen stellte.
«Gut», sagte Susanne. «Kommen wir zum gestrigen Morgen, als Sie Herrn Mergentheim tot aufgefunden haben. Haben Sie da etwas bemerkt? Einen Geruch oder etwas anderes?»
Die Frau knetete ihre Hände. «Nein. Aber ich konnte auch nicht. Ich hatte gleich Alarm.»
Bastian kam das seltsam vor. «Wieso denn? Als Sie die Haustür aufschlossen, wussten Sie doch nicht, dass Mergentheim tot war. Oder sind Sie vorher ums Haus herumgegangen und haben durchs Wohnzimmerfenster geschaut?»
«Nein.» Die etwa fünfzigjährige Frau nahm ihre Brille ab und wischte sich über die Augen. Bastian wollte etwas sagen, doch Susanne stoppte ihn mit einem minimalistischen Kopfschütteln.
«Sie verstehen nicht. Wenn man so lange bei jemandem arbeitet, kennt man seine Gewohnheiten. Ich wusste gleich, dass Herr Mergentheim noch da war. Sein Autoschlüssel hing am Brett im Flur. Sonst ist er um diese Zeit immer weg, wenn ich komme, im Büro in Münster. Ich bin dann in die Küche und sehe, dass kein Frühstück auf dem Tisch steht. Herr Mergentheim lässt Sachen für mich stehen, damit ich wegräume. Ich denke, Herr Mergentheim ist vielleicht krank, und rufe nach ihm. Aber er antwortet nicht. Ich bin jetzt schon sehr a-larm…»
«Alarmiert», half Bastian.
Die Putzfrau nickte und strich imaginäre Falten aus ihrem Kleid. «Also will ich nach oben, um zu sehen, ob Herr Mergentheim vielleicht im Bett liegt und zu schwach ist für eine Antwort. Die Treppe ist gleich neben dem Wohnzimmer, und die Tür zum Wohnzimmer stand offen. Heilige Maria.» Sie bekreuzigte sich. «Wie ich Herrn Mergentheim da hängen sehe, bin ich gleich nach draußen gerannt und habe die Hundertzehn gewählt.»
«Und Sie haben das Haus vor Eintreffen der Polizisten nicht wieder betreten?», vergewisserte sich Susanne.
«Nein. Nein. Bestimmt nicht.» Allein der Gedanke an den toten Mergentheim verursachte bei der korpulenten Frau ein heftiges Bibbern. «Ich hatte solche Angst.»
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Kurz vor Altenberge standen sie vor der geschlossenen Bahnschranke und warteten auf die Regionalbahn nach Enschede.
«Unterschiedliche Frauen, etwa einmal im Monat. Weißt du, was ich denke?», fragte Susanne.
«Nutten», sagte Bastian. «Obwohl das bei Leuten wie Mergentheim sicher nicht so heißt. Auch die Frauen nennen sich vermutlich anders. Hostess. Callgirl, wie auch immer.»
«Wir haben Mergentheims Privatanschluss und sein Handy gecheckt. Er hat an dem Tag vor seinem Tod nur seinen Sohn, seine Sekretärin und einige Geschäftskunden angerufen.»
«Einer seiner Geschäftskunden könnte nebenbei eine kleine Agentur für spezielle Dienstleistungen betreiben. Oder Mergentheim hat eine E-Mail geschickt, ist auf eine entsprechende Homepage gegangen oder hat eines der Firmentelefone benutzt.»
Die Regionalbahn jagte mit einem schrillen Signalton über die Straße.
«Darum müssen sich die Kollegen kümmern, die die Bank beackern», meinte Susanne.
«Wir könnten Mergentheims Ex einen Besuch abstatten», schlug Bastian vor. «Möglicherweise kennt sie die Vorlieben des Bankers aus ihrer gemeinsamen Zeit.»
Die Schranke ging hoch, der Wagen quälte sich den Hügel hinauf.
«Da müssen wir erst Dirk Fahlen fragen», widersprach die Hauptkommissarin.
«Ach, komm schon, nur eine kurze Nachfrage. Gestern war unsere Enthüllung doch der Knüller.» Er betonte das Wort
unsere
, Susanne sollte sich als Teil ihrer kleinen verschworenen Gemeinschaft fühlen.
«Wenn ich mich recht erinnere, hielt sich die Begeisterung in Grenzen.» Aber ihr Lächeln verriet, dass sie den Widerstand aufgab. «Du bringst mich noch in Teufels Küche.»
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Die Annette-Allee war eine der nobelsten Adressen Münsters. Gerlinde Mergentheim wohnte in einem luxuriösen Penthouse, das zu einem mehrstöckigen Gebäudekomplex gehörte. Von der einen Seite ihrer Dachterrasse musste sie eine grandiose Sicht auf den Aasee haben, während sie auf der anderen Seite das Geschehen auf dem Zentralfriedhof verfolgen konnte. Bastian schätzte, dass
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