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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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Abkühlung ein, ganz Münster war eine tropische Zone.
    Nach der Abfuhr, die Fahlen ihm erteilt hatte, war Bastian regelrecht aus dem Präsidium geflüchtet. Die Schmach, Yasis Blick zu begegnen, wenn sie in die Räume des KK 11 gebracht würde, wollte er sich nicht antun. Vom Präsidium aus war er mit dem Fahrrad stadtauswärts gefahren, in großem Bogen um den Aasee herum. Tausend Gedanken schossen ihm dabei durch den Kopf, Yasi und seine Zukunft betreffend. Die vernünftigste unter den vielen Ideen, die ihm kamen, schien zu sein, sich so bald wie möglich auf eine Stelle außerhalb von Münster zu bewerben. Irgendwo neu anfangen, wo ihn niemand kannte. Eine andere Idee ließ sich noch schneller umsetzen: Sich sinnlos betrinken.
    Bastian langte nach der Flasche, die neben der Couch stand. Ein billiger Fusel, den er irgendwann mal geschenkt bekommen hatte, wo und von wem, wusste er nicht mehr. Ein Kräuterschnaps aus dem Münsterland, der so aussah, wie er schmeckte: giftgrün. Jahrelang hatte die Flasche ein vernachlässigtes Dasein in der hintersten Ecke der Vorratskammer gefristet, doch heute Abend hatte sie ihren großen Auftritt. Für Bier fehlte Bastian die Geduld, er wollte sich ohne Genuss und zielsicher abschießen. Und beinahe war ihm das schon gelungen. Nur noch ein Rest Verstand hielt ihn unter den Lebenden. Und diesem Rest, der ihm unablässig Vorwürfe machte und ihn wüst beschimpfte, würde er jetzt auch den Stinkefinger zeigen.
    Als Bastian die bereits halb leere Flasche an den Mund setzte, klingelte das Telefon. Er war zu betrunken, um aufzustehen. Sollte es doch klingeln.
    Nach der sechsten Wiederholung sprang der Anrufbeantworter an. Bastian hörte seine eigene Stimme und dann den Pfeifton. «Hier ist Mia. Bastian, wenn du da bist, nimm verdammt noch mal den Hörer ab.» Es klang, als ob sie weinte. «Unser Haus … Es brennt. Und Mutter …»
    Bastian sprang auf, fiel hin, kam wieder hoch und stolperte zur Kommode, auf der das Telefon lag. «Was ist los?»
    «Bastian? Bist du das?»
    «Jajajaja. Nun sag schon: Was ist mit Hilde?»
    «Frau Kemminger hat mich angerufen. Die Feuerwehr ist da und –»
    «Ist sie tot? Herrgott, Mia, nun red endlich.»
    «Nein.» Sie weinte. «Ich weiß nicht. Bastian, ich habe Angst. Was sollen wir machen?»
    «Wir treffen uns in Horstmar, okay? Bis gleich.»
    Er legte auf, stürzte zum Bad und kotzte den Schnaps aus. Als das Würgen endlich ein Ende hatte, spülte er den Mund aus und klatschte sich ein paar Hände voll Wasser ins Gesicht. Der Typ, der ihn aus dem Spiegel anstarrte, sah aus wie ein Zombie. Aber wen interessierte das schon? Er hatte eine Aufgabe: Zu überlegen, wie er nach Horstmar kommen sollte. Selbst fahren ging nicht mehr. Jemanden anrufen? Zu kompliziert. Also Taxi.
    |||||
    Mit der linken Hand winkte Bastian dem Taxifahrer zu, der vor dem Haus wartete, und stützte sich mit der rechten an der kleinen Steinmauer ab, die den zwei Meter breiten Vorgarten begrenzte. Für die wenigen Schritte bis zum Straßenrand brauchte er seine volle Konzentration, erleichtert fiel er auf den Beifahrersitz.
    Der Fahrer, ein Mann aus dem mittleren oder fernen Orient mit großen, dunklen Augen, schaute ihn skeptisch an: «Ist nicht gut?»
    «Doch. Alles bestens.»
    «Nix kotzen in meine Wagen.»
    «Ich kotze schon nicht. Und jetzt fahren Sie endlich.» Bastian nannte die Adresse.
    Der Wagen setzte sich in Bewegung. Sobald Bastian die Augen schloss, fühlte er sich wie in einem Karussell. Nur wenn er starr zur Seite schaute, konnte er die Übelkeit in Schach halten.
    Der Taxifahrer beachtete Bastian nicht weiter. Seine ganze Aufmerksamkeit galt einem Handy, auf das er fast pausenlos einredete. In einer Sprache, in der knarzende Konsonanten dominierten. Bastian dachte darüber nach, was in Horstmar passiert sein konnte. Ein Waldbrand, der auf das Haus seiner Mutter übergesprungen war? Unwahrscheinlich. Ein technischer Defekt? Die Heizung war vor ein paar Jahren erneuert worden. Oder hatte Hilde den Brand selbst verursacht? Bei einem ihrer geistigen Ausfälle? Als Bastian die rotierenden Blaulichter der Feuerwehrwagen sah, wurde ihm erneut schlecht. Gleich vier große Löschzüge verstopften die schmale Straße am Waldrand von Horstmar. Das Haus stand allerdings noch, und der Brand schien bereits gelöscht. Zwei Feuerwehrmänner richteten einen Wasserstrahl auf die Dachziegel, aus denen ab und zu Qualmwirbel aufstiegen. Die Außenwände darunter glänzten

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