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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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wenigstens kein einheitliches Ziel. Dann drehte er sich zu Bastian um: «Geh zurück ein Stück.»
    Pro forma machte Bastian drei Schritte rückwärts. Das Trio, das Vogtländer gejagt hatte, war noch etwa fünfzig Meter entfernt. Die beiden Männer und Annika Busch hatten die Polizisten längst gesehen. Sie waren kurz stehen geblieben, um sich zu beraten, anschließend hatten sie sich weiter auf den Tunnelausgang zubewegt. Im gemächlichen Tempo, als wären sie Besucher eines Museums. Für Verbrecher in einer auswegslosen Situation wirkten sie erstaunlich ruhig. Konnte es sein, dass sie noch immer an ihre Chance glaubten? Verrückt genug waren sie ja.
    Das mulmige Gefühl, das Bastian während der Autofahrt gespürt hatte, wurde stärker. Es sah nicht so aus, als würden sich die drei widerstandslos festnehmen lassen.
    «Police!», rief Hansen. «Hands up! I want to see your hands.»
    Keine sichtbare Reaktion.
    «Polizei!», versuchte es Hansen auf Deutsch. «Nehmt die Hände über eure Köpfe! Sofort!»
    Die drei gingen weiter, die Hände dicht am Körper. Bastian konnte nicht erkennen, ob sie Schusswaffen trugen. Aber es hätte ihn gewundert, wenn es nicht so gewesen wäre.
    «Last warning!», brüllte Lars.
    Ein Schuss, dessen Knall von den Metallwänden irrwitzig verstärkt wurde. Unmöglich zu sagen, wer ihn abgefeuert hatte. Dann sah Bastian das nächste Mündungsfeuer unten im Tunnel. Die Kugel schepperte an der Wand entlang. Hansen schrie etwas, und die Polizisten legten sich flach auf den Boden. Auch Bastian warf sich hin und robbte näher an Hansen heran. Jetzt schossen alle auf einmal, Dutzende Kugeln verursachten einen infernalischen Lärm, ein Querschläger prallte direkt neben Bastian von der Seitenwand ab.
    Nach einer Viertelstunde oder einer Minute – Bastian hatte jegliches Zeitgefühl verloren – hörte die Schießerei auf. Stille trat trotzdem nicht ein, in Bastians Ohren kreischte ein Tinnitus, als läge er direkt unter einer Metallsäge. Tor schrie. Doch Bastian konnte es nicht hören, so taub, wie seine Ohren waren. Aber er sah, wie Tor den Mund aufriss und sein Bein umklammerte. Offenbar hatte eine Kugel seinen Oberschenkel getroffen, auf dem Stoff der Uniformhose bildete sich ein kreisrunder, dunkler Fleck.
    Bastian schaute zu Hansen und Lars. Beide schienen unverletzt. Hansen stützte sich auf seine Ellenbogen und schaute auf. Bastian machte es ihm nach. Einer der Männer lag reglos auf dem Tunnelboden, der andere krümmte sich vor Schmerzen. Annika Busch kniete, eine Pistole mit beiden Händen haltend.
    Zeit verstrich. Das Kreischen der Metallsäge verwandelte sich in ein unangenehmes, monotones Sirren. Wie durch Watte hörte Bastian Hansens Stimme: «Waffe weg!»
    Und das Unmögliche geschah. Annika Busch warf die Pistole weg und hob die Hände.
    Immer noch halb taub, verständigten sie sich mit Handzeichen über die Aufgabenverteilung. Lars wollte sich um Tor und den Transport der Verletzten kümmern, Hansen und Bastian, der Tors Pistole an sich genommen hatte, gingen den Tunnel hinunter. Während der Schießerei hatte Bastian eine fast überirdische Ruhe gespürt, doch jetzt konnte er das Zittern seiner Hände nicht unterdrücken. Eine natürliche Reaktion des Körpers beim Abbau von Adrenalin, das hatte er auf der Polizeihochschule gelernt. Wozu Lehrbuchwissen doch manchmal nützlich war.
    Immerhin ging es Hansen nicht besser, wie Bastian mit einem Seitenblick sah.
    «Ich behalte den Typ ganz links und den Verletzten im Auge. Du übernimmst die Frau.» Bastians Stimme hatte einen vierfachen Hall. Es klang wie bei einem Fahrgeschäft auf der Kirmes, wenn der Ansager den ultimativen Kick ankündigt.
    «Der linke Typ ist tot, oder?», gab Hansen zurück. Seine Stimme hörte sich genauso verzerrt an.
    «Sieht so aus. Aber vielleicht ist das ein Trick.»
    Bastian traute weder der Situation noch sich selbst. Bei Schießübungen im Polizeipräsidium auf eine Wand zu feuern, auf die Personen projiziert wurden, war eine Sache. Das hier war eine ganz andere Nummer. Im Schießkeller konnte man höchstens auf das falsche Dia feuern und musste zur Strafe die Übung wiederholen – hier würde jeder Fehler fatale Folgen haben.
    Der Verletzte, ein Mann mit kurzen blonden Haaren und wachsbleichem Gesicht, blutete aus dem Arm. «Helfen Sie mir, Mann. Ich verblute.»
    «Später.» Bastian kickte die Pistole des Verletzten zur Seite. Dann wandte er sich der auf dem Bauch liegenden Gestalt zu.
    «Er ist

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