Muensters Fall - Roman
Münster.
»Was glauben Sie: Wer hat es gemacht?«, fragte er auf Biegen und Brechen.
Mauritz Leverkuhn wandte den Kopf und bedachte Münster mit einer Art Lächeln.
»Ich weiß es nicht, Herr Kommissar. Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Ich habe zu meinem Vater seit mehr als zwanzig Jahren keinen richtigen Kontakt mehr gehabt, und ich habe keine Ahnung, mit wem er verkehrte. Könnten wir dieses Gelaber jetzt endlich beenden, damit ich hier rauskomme?«
»All right«, sagte Münster. »Nur noch eins. Wissen Sie, ob Ihr Vater Geld besaß? Irgendwelche verborgenen Quellen hatte oder so?«
Mauritz Leverkuhn war bereits aufgestanden.
»Quatsch«, sagte er. »Er hat sein halbes Leben bei Gahns gearbeitet, das andere halbe Leben in der Brauerei. Das sind nicht gerade die Orte, an denen man Geld scheffelt. Adieu, Herr Kommissar!«
Er wollte schon die Hand über den Tisch ausstrecken, besann sich aber auf halbem Weg und schob sie stattdessen wieder in die Hosentasche.
»Vermissen Sie ihn?«, fragte Münster, bekam aber nur einen hohlen Blick zur Antwort. In der Türöffnung blieb Mauritz Leverkuhn dann doch noch einmal stehen.
»Als Teenager habe ich mir wirklich überlegt, ob ich mich bei der Polizeischule bewerben soll«, erklärte er. »Ich bin nur froh, dass ich es nicht getan habe.«
»Wir auch«, brummte der Kommissar, als die Tür ins Schloss gefallen war. »Wir auch.«
Allein im Zimmer ging er, wie es seine Gewohnheit war, ans Fenster und schaute über die Stadt. Über die Straßen, die Hausdächer und Kirchen, über die Wejmargraacht und den Wollerimspark, in dem ein grauer Dunst die Bäume in eine weiche, konturenauflösende Decke hüllte. Wie ein Amateuraquarell, dachte er, in dem die Farben zerfließen und sich miteinander und dem Wasser vermischen. Das Hochhaus ein Stück weiter, oben auf der Anhöhe in Lemaar, war nur schwer zu erkennen, und ihm kam der Gedanke, wenn es irgendwo auf der Welt einen Ort gab, an dem ein Mörder die Möglichkeit hatte, sich zu verstecken, dies hier so ein Ort war.
Als er seinen Blick senkte, sah er Mauritz Leverkuhn den Parkplatz überqueren und zu einem weißen, ziemlich neuen Volvo gehen. Irgend so ein Firmenauto wahrscheinlich – mit dem Kofferraum und dem Rücksitz voller Servietten und Kerzenmanschetten in den allerschönsten Farben. Zum Nutzen und Frommen der Menschheit und ihrem ewigen Streben nach größtmöglichem Genuss.
Ich glaube, ich bin heute ein bisschen desillusioniert, dachte Kommissar Münster und drehte der Stadt den Rücken zu.
Polizeipräsident Hiller sah aus wie eine geile Kröte.
Zumindest war das der erste Gedanke, der Münster kam, als er ein paar Minuten zu spät in den Konferenzraum trat. Der ganze Mann schien aufgeblasen zu sein, vor allem oberhalb des Hemdkragens, seine Augen drückten sich aus ihren Höhlen heraus, die Wangen waren angeschwollen und die Gesichtsfarbe ziemlich kräftig.
»Was um alles in der Welt hat das hier zu bedeuten?«, fauchte er, dass die Speicheltropfen im Gegenlicht des eingeschalteten Overheadprojektors funkelten. »Kann mir mal einer erklären, was das soll?«
In der Hand hielt er eine Zeitung, mit der er der geduckt vor ihm sitzenden Versammlung drohte – Kommissar Heinemann, den Inspektoren Rooth, Jung und Moreno sowie, ganz hinten in der Ecke, dem viel versprechenden Polizeianwärter Krause.
Münster setzte sich zwischen Heinemann und Moreno, ohne zu grüßen.
»Nun?«, schnaubte Hiller und warf das Neuwe Blatt auf den Tisch, sodass Münster endlich lesen konnte, worum es eigentlich ging.
Die Schlagzeile lief über alle acht Spalten und wurde von drei Ausrufungszeichen komplettiert:
DIE POLIZEI JAGT ROTHAARIGEN ZWERG!!!
Und in etwas kleineren Buchstaben:
NEUES VOM RENTNERMORD
Heinemann setzte sich die Brille auf.
»Eigenartig«, sagte er. »Ich wüsste nicht, dass ich darüber informiert worden bin.«
Hiller schloss die Augen und faltete die Hände. Offenbar in einem Versuch, sich zu beruhigen, denn die folgenden Sätze wurden durch zusammengebissene Zähne hindurchgepresst.
»Ich will wissen, was das zu bedeuten hat. Und wer dafür verantwortlich ist.«
Moreno schielte auf die Zeitung und räusperte sich.
»Ein rothaariger Zwerg? Das muss sich ja wohl um einen Scherz handeln.«
»Einen Scherz?«, brauste Hiller auf.
»Das denke ich auch«, sagte Rooth. »Oder sucht etwa einer von euch nach einem Zwerg?«
Er schaute sich fragend am Tisch um, während Hiller auf seiner
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