Muensters Fall - Roman
begeisterungsweckend, aber zumindest war sie am Mittwoch gegen sieben Uhr hinaus gegangen, ein paar Minuten nach sieben, wenn sie sich recht erinnerte, und da hatte sie ziemlich sicher Geräusche aus der Hausmeisterwohnung vernommen, als sie an der Tür vorbeiging. Was für Geräusche das waren, konnte sie nicht sagen, nur dass jemand da drinnen im Flur mit etwas beschäftigt zu sein schien – ein Jemand, der wohl identisch mit Frau Van Eck sein musste, da ja ihr Ehemann sich zu diesem Zeitpunkt bewiesenermaßen in Riitmeeterska befand und Porzellantöpfe dekorierte.
Moreno ging auch ihre Notizen von diesem Gespräch noch einmal durch und hakte die übrigen Namen ab – de Booning, Engel und Mathisen.
Ansonsten gab es nicht viel hinzuzufügen. Krause, der gegen zwölf Uhr gekommen war, um sie zu unterstützen, hatte den ganzen Nachmittag damit verbracht, sich in der Nachbarschaft umzuhören. Das war nicht besonders kompliziert, da Frau Van Eck für die meisten ein ziemlich bekannter Teil des Straßenbilds und des Viertels war.
Sie hatte ganz richtig in drei Läden am Kolderplejn eingekauft. Hatte den letzten ungefähr um Viertel vor sechs verlassen und war von weiteren zwei Zeugen auf ihrem Weg nach Hause gesehen worden. Deshalb war es keine große Kunst, ein Zeitpuzzle für den nach allen Angaben zu urteilenden entscheidenden Teil des Mittwochabends zusammenzusetzen.
Ca. 18.00 Uhr Frau Van Eck kommt nach Hause
Ca. 19.00 Uhr Frau Van Eck befindet sich immer noch zu Hause (im Flur)
Ca. 20.00 Uhr Frau Van Eck ist verschwunden
Hinzuzufügen wäre möglicherweise noch, dass keiner von Krauses vielen Informanten die majestätische Hausmeistersfrau nach achtzehn Uhr gesehen hatte.
Moreno starrte auf die Aufstellung. Fantastische Detektivarbeit!, dachte sie und klappte den Block zu.
Münster und Jung wechselten sich bei Arnold Van Eck ab.
Auf Grund der Entwicklung im Kolderweg war Hiller damit einverstanden gewesen, Rooth und Jung wieder mit dem Fall zu befassen – in dem Ausmaß, in dem Münster es für notwendig erachtete. Der Sexualmörder in Linzhuisen war seit mehr als zwei Monaten nicht mehr tätig gewesen, und die Ermittlungen schienen auf der Stelle zu treten.
Trotz hartnäckigem Einsatz vor allem von Jung – irgendwas an der Person Arnold Van Eck ließ Münster davor zurückscheuen, ihn zu verhören, verursachte ihm gerade Übelkeit (vielleicht war es das Bild der überfahrenen kleinen Katze, das wieder in seinem Kopf herumspukte) – gelang es nicht, sehr viel mehr Informationen zu bekommen, abgesehen von dem, was bei dem Gespräch an dem Van-Eckschen Küchentisch bereits ans Licht gekommen war. Das Bild einer etwas merkwürdigen, kinderlosen Ehe bekam zwar noch schärfere Konturen, aber was das Verschwinden selbst betraf, so trat man weiterhin ziemlich auf der Stelle. Wie sehr Jung auch versuchte, das Zusammenleben zwischen den Eheleuten hin und her zu wenden, so gelang es doch nicht, aus Van Eck auch nur die Andeutung einer Erklärung herauszuquetschen, warum seine Ehefrau freiwillig einfach davongegangen sein könnte.
Wenn sie es vor dreißig, vierzig Jahren gemacht hätte, wäre es möglicherweise die natürlichste Sache der Welt gewesen, das musste sogar Van Eck einsehen. Aber jetzt – warum verließ sie ihn jetzt?
Also, zogen sowohl Münster als auch Jung den Schluss, hatte sie es auch nicht gemacht. Dahinter mussten andere Kräfte stehen. Starke Kräfte offensichtlich – Frau Van Eck war ja nun nicht gerade eine Frau, die man mit einem Staubwedel umbringen
konnte, wie Jung es formulierte, kurz bevor sie sich trennten.
Als er allein in seinem Zimmer zurückblieb, hörte sich Münster noch einmal das ganze Band an, und wenn er ehrlich war, so erinnerte das Gespräch ihn, zumindest teilweise, eher an eine Therapiesitzung als an ein Verhör.
Aber Tatsache war: Else Van Eck, 182 Zentimeter groß, 94 Kilo schwer, 65 Jahre alt, war verschwunden. Wahrscheinlich bekleidet mit einem blau-grau-melierten Mantel, braunen Gesundheitsschuhen der Marke ENOC (Größe 43) sowie einem schwarzen, flachen Filzhut, war sie aus ihrer Wohnung irgendwann zwischen 19 und 20 Uhr am Mittwochabend verschwunden. Die Suchmeldung ging bereits um zwei Uhr raus, aber um fünf Uhr, als Münster im Begriff war, nach Hause zu fahren, waren immer noch keine Informationen von dem großen Detektiv Jedermann eingetrudelt.
Das wäre wahrscheinlich auch zu viel erwartet gewesen. Blieb zu hoffen, dass Krauses
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