Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben
der neueste Schrei. Haben bald alle.«
Zum Glück kam Anna am Dienstag darauf mit Timo zusammen und Hula-Hoop war das Letzte, woran sie in den drei Wochen dachte, bevor Jan sie für die blonde Maike aus der 8 c verließ.
Ich erinnerte mich außerdem an einen Sonntag im Herbst, als Oma Schwarzwald Geburtstag hatte. Es gab Kaffee und Kuchen für die Erwachsenen und für mich Mini-Sahnewindbeutel, die mein Opa aus der Tiefkühltruhe im Keller holte und die ich besonders mochte, wenn sie nur halbaufgetaut waren, weil man dann die gefrorene Sahne lutschen konnte, als wäre sie Eis.
Zu einem Besuch bei Oma und Opa gehörte auch immer ein Spaziergang durch den Garten, der riesig und Omas ganzer Stolz war, und der mir am besten gefiel, wenn an Ostern kleine Geschenke zwischen den Büschen versteckt waren. In ihrem Garten gab es alles: Blumen, Kräuter, Gemüse und Obstbäume und am hinteren Ende, neben dem Komposthaufen, sogar ein Gewächshaus, denn im Schwarzwald können die Nächte sehr kalt werden.
Während wir durch den Garten liefen, ein paar Frühäpfel aufsammelten, Tomaten vom Strauch aßen und die riesigen Sonnenblumen bewunderten, erzählte meine Mutter davon, dass ihr Garten nicht das machte, was sie wollte. Hatte Oma vielleicht noch Tipps für sie? Oma lachte.
»Kommt mal mit, ich zeig euch was.«
Wir folgten ihr den gewundenen Weg zwischen den Sträuchern hindurch, bis wir vor einem Beet standen, das mit einer Schnur in zwei Teile getrennt war. Darin reihten sich Salatköpfe aneinander, von denen einer schöner war als der andere. Zumindest die in der linken Hälfte. Sie waren knallgrün und so groß, dass man mit jedem von ihnen ein komplettes Buffet hätte bestücken können und sahen aus, als hätte sie jemand mit Nagellack angemalt und danach mit Photoshop bearbeitet.
»Das ist mein kleines Experiment«, sagte Oma und zeigte auf das Beet.
»Seht ihr den Unterschied?«
Allerdings.
»Den Salat in der linken Hälfte habe ich drei Wochen später gesät.«
»Aber der ist ja viel größer!«, sagte meine Mutter. »Hast du einen Spezialdünger benutzt?«
Oma schüttelte den Kopf.
»Nur Brennnesseljauche, allerdings für das komplette Beet.«
»Und was ist der Unterschied?«
»Die erste Saat habe ich an einem Wurzeltag ausgesät. Die zweite an einem Blatttag.«
Wurzeltag? Blatttag? Wir warteten auf eine Erklärung. Und Oma erklärte. Schon vor Längerem hatte sie etwas darüber gelesen, wie der Mond das Pflanzenwachstum beeinflusst. Oma glaubte nicht an Esoterik, aber sie glaubte an das, was sie sah. Und weil sie ein neugieriger Mensch war, hatte sie sich gedacht, dass ein Versuch nicht schaden könnte – auch wenn es vermutlich nicht funktionierte. Um das Experiment so wissenschaftlich wie möglich anzugehen, hatte sie das Beet unterteilt und einen Teil der Salatsamen an einem Wurzeltag ausgesät. Wurzeltage sind diejenigen, an denen der Mond die Erdzeichen Stier, Jungfrau und Steinbock durchwandert, und wie der Name schon sagt, besonders günstig, um Wurzelgemüse zu pflanzen, also Karotten, Sellerie, Kartoffeln oder Rote Beete. Die restlichen Samen hatte sie an einem Blatttag unter die Erde gebracht, als der Mond durch die Wasserzeichen Krebs, Skorpion und Fische wanderte, und an denen Salat und Kohlgemüse besonders gut gedeihen sollen. Und es funktionierte. So gut, dass sie sich seither, was den Garten betraf, konsequent an die empfohlenen Saatzeiten aus dem Mondkalender hielt, die außerdem auch noch Blüten- und Fruchttage beinhalten.
Die Sprüche mit den Kirschen in Nachbars Garten und dem Gras, das auf der anderen Seite immer grüner ist, hatten seither eine ganz neue Bedeutung bekommen, denn Omas Nachbarn verfolgten von der anderen Seite des Gartenzauns beinahe stündlich die Fortschritte und genau wie meine Mutter fragten auch sie gierig nach Omas Geheimnis.
Natürlich verriet sie es nicht, sie war ja nicht blöd. Außerdem war es ihr peinlich. Konnte es wirklich sein, dass der Mond schuld war an diesem Überfluss? Genau genommen hieße das auch, dass ihr grüner Daumen gar nicht existierte, dabei war sie auf den so stolz. Doch schließlich beschloss sie, dass jedes Mittel recht war, um ihre Nachbarn zu ärgern. Egal mit welchen Dingen es zuging.
Am nächsten Tag kaufte meine Mutter einen Mondkalender. Innerhalb kürzester Zeit las sie sich ein umfangreiches Wissen über die verschiedenen Mondphasen an, deren Einfluss weit über das Gartenthema hinausging. Die Grundlagen sind schnell
Weitere Kostenlose Bücher