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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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mit der Zeit merkte, wie wohl ich mich dort fühlte, durfte ich nicht mehr zur Oma, sondern wurde stattdessen bei einer Nachbarin abgegeben.
    Ein tradiertes Mutterverständnis, das Tabu der mütterlichen Ersetzbarkeit, Stolz und Scham hindern Mütter daran, offen dazu zu stehen, ihre Kinder eigentlich abgeben zu wollen und dies auch tun zu können. Sie haben Angst, der gesellschaftlichen Verachtung oder der Selbstverachtung ausgeliefert zu sein. In diesem Sinne formulierte auch eine Erzieherin und Mutter im Kreise mehrerer Gesprächsteilnehmerinnen zum Thema Mutterschaft:
    Täglich verlassen Väter ihre Kinder in der einen oder anderen Weise, das schlägt keine Wellen. Aber eine Mutter, die ihre Kinder abgibt oder sie verlässt, ist keine Mutter mehr und keine «normale» Frau. Wenn ich aber sehe, dass die Beziehung zum Kind gestört ist, dann kann ich mir doch sachlich überlegen, was ist eigentlich für mich und für dieses Kind am besten? Und das kann durchaus der Austausch der biologischen Mutter gegen Ersatzpersonen sein. Wenn das aber nicht möglich ist oder sein darf, kommt es vielleicht oder doch sicher viel eher zu Hass und Gewalt.

4   Die seelisch ausbeutende Mutter
    Tagtäglich musste ich mich mit ihrer Verbissenheit auseinandersetzen, mit der sie ein nach ihren Vorstellungen vollkommenes Wesen aus mir modellieren wollte. Ich musste gegen ihre ungeheure Willenskraft anrennen, mit der sie meinen Körper und meine Gedanken verdrehte, um mich auf den Weg zu bringen, den sie mir zugedacht hatte […] Meine Mutter hatte mich zu ihrer Puppe gemacht, und diese Arbeit so vollkommen geleistet, so tiefgreifend, dass ich mir dessen nicht mehr bewusst war, es mir gar nicht mehr anders vorstellen konnte. (Aus: Marie Cardinal: «Schattenmund», S. 80)
    Sie hat mich benützt […] Sie hat über mich geredet als ihren Besitz, über mich verfügt als ihr Eigentum […] Ich war ihr als Vertraute gut genug, und sie hat absolute Zustimmung und mein Beipflichten gefordert. Sie hat mich zur Verräterin gestempelt, wenn ich nicht nach ihrem Wind gesegelt bin. Sie hat mich dazu missbraucht, ihr Ich aufzublasen. Sie hat sich mit meinen Federn geschmückt und ist wie ein Gockel damit herumstolziert. Meine Klugheit war ihre Klugheit […] Meine Begabung war ihre Begabung. Meine Lebendigkeit war ihre Lebendigkeit […] Sie hat von mir gelebt [… ] Meine Federn, mit denen sie sich schmückte, fehlten in meinem Kleid. Aber sie war die Mutter. «Lieb Mütterlein» heißt es zärtlich im Lied. (Aus: Charlotte Gerber: «LügenLeben», S. 155)
    Diese beiden Zitaten beschreiben emotional ausbeutende Mütter autobiografisch aus dem Erleben von Töchtern. Offensichtlich beschreiben sie jeweils etwas anderes als mütterlichen Stolz und Freude am Kind. Der Begriff Ausbeutung bedeutet, jemanden auszunutzen, persönlich von einem anderen zu profitieren. Zentral dabei ist, dass der Nutzen des einen auf Kosten des anderen geht, dessen Wesen und Individualität dafür ignoriert und geopfert werden. Die Zitate bringen deutlich zum Ausdruck, wie die Eigenständigkeit und Individualität des Kindes ignoriert und unterdrückt wurden und eine identitätsvernichtende Vereinnahmung durch die Mutter stattfand. Diese nutzt zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse und zum Ausgleich eigener Defizite die Abhängigkeit und Verfügbarkeit des Kindes aus. Dabei geht es häufig um die Aufwertung der Mutter und ihres Selbstbildes. In der Psychologie spricht man in diesem Fall von einem «narzisstischen Missbrauch» des Kindes. Es soll einem bestimmten (Ideal-)Bild der Mutter entsprechen oder deren eigene unerfüllte Wünsche und unrealisierte Träume verwirklichen. Kinder können aber auch zum Ausgleich anderer Defizite der Mutter funktionalisiert werden, zum Beispiel als Partnerersatz, der unglückliche oder abwesende Beziehungen kompensieren soll, oder als «Seelsorger» oder «seelischer Mülleimer» der Mutter.
    In all diesen Fällen werden dem Kind Aufgaben übertragen, die nicht seiner altersgemäßen Entwicklung oder seinem Wesen entsprechen. Es wird nicht um seiner selbst willen geliebt, sondern dazu benutzt, einen Mangel, eine innere Unzufriedenheit, eine Bedürftigkeit, einen unerfüllten Ehrgeiz der Eltern/der Mutter wettzumachen.
    Das Kind als Objekt
    Das Kind dient also in erster Linie der Bedürfnisbefriedigung der Mutter, es soll ein Loch füllen, einen Mangel ausgleichen. Es ist weitgehend oder ausschließlich im Hinblick auf seine Funktion und

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