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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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psychischen Probleme», auf jeden Fall wolle sie morgens gar nicht mehr aufstehen, esse kaum noch und «heule» nur. Organisch fehle der Tochter nichts, darum habe der Hausarzt gemeint, eine Psychotherapie könne eventuell «das Ganze wieder in Ordnung bringen». Eva kam also zu einem Gespräch zu mir in die Praxis, wobei es zunächst ein schweres Unterfangen war, die Mutter davon abzuhalten, auch daran teilzunehmen. Diese rief in der Folge auch immer wieder an, um sich nach den genauen «Fortschritten» der Tochter zu erkundigen. Als sie die geforderten detaillierten Auskünfte nicht erhielt und merkte, dass sie die Therapie nicht kontrollieren konnte, reagierte sie gekränkt und feindselig.
    Eva war tatsächlich sehr intelligent und begabt, aber auch sehr unglücklich. Sie war das einzige Kind zweier angesehener Ärzte. Nach der Scheidung der Eltern lebte sie bei ihrer Mutter. Für diese war klar, dass Eva ebenfalls eine besonders erfolgreiche Ärztin werden würde. Eva studierte dann auch Medizin, litt aber zunehmend an einer schweren Depression und spielte sogar mit Suizidgedanken. Es war ein langer, schrittweiser Prozess, bis sie es wagte wahrzunehmen, dass sie selbst eigentlich gar nicht Medizin studieren, sondern lieber mit ihren Händen künstlerisch-gestalterisch arbeiten wollte. Sie schlug dann auch einen ganz anderen beruflichen Weg ein und ließ dabei langsam die Depression hinter sich. Die Mutter reagierte aber nicht erfreut über die zunehmende Gesundung, Hoffnung und Lebensfreude der Tochter, sondern zeigte sich im Gegenteil entsetzt und schockiert über eine Entwicklung, die sie als «unter jedem Niveau» empfand. Sie bezeichnete die Tochter nun als «endgültig krank» und zog sich radikal von ihr zurück. Von heute auf morgen entzog sie Eva jegliche finanzielle Unterstützung und etablierte ein «Kontaktverbot». In einer letzten E-Mail teilte sie ihr mit, dass sie nur unter der Bedingung wieder für einen Kontakt offen sei, wenn die Tochter bereit sei, ihr Medizinstudium abzuschließen. Dies war ein schlimmer Konflikt für Eva, der ihre Genesung nicht gerade beschleunigte, wie man sich vorstellen kann.
    Dieses Beispiel macht den plötzlichen Wechsel deutlich von Überfürsorglichkeit und Distanzlosigkeit zu einem kaltem, radikalen Rückzug, wenn das Kind den Erwartungen der Mutter nicht entspricht. Das Kind nimmt den Missbrauch intuitiv wahr. Es spürt, dass es nicht um seiner selbst willen geliebt, sondern für fremde Zwecke benutzt wird. Es spürt, dass die Mutter nicht es selbst und sein Wohlergehen meint, sondern in Wirklichkeit ihre eigenen Interessen verfolgt. Es spürt, dass es zu viel Verantwortung für das Wohlbefinden der Mutter trägt und einen Preis dafür zahlt. Gleichzeitig ist es mit gegenteiligen Beteuerungen konfrontiert. Die Mutter behauptet, dass sie nur das Beste für ihr Kind will und in seinem Interesse handelt. Und dass Mütter immer nur das Beste für ihre Kinder wollen, das ist wahr wie ein Naturgesetz. Oder nicht? So gerät das Kind in eine belastende Wahrnehmungskonfusion, von der später noch zu sprechen sein wird.
    4.1.2  Autonomie- und Individuationsverbot
    Evas Beispiel verdeutlicht eindrücklich das Autonomie- und Individuationsverbot, dem Kinder emotional ausbeutender Mütter unterliegen. Von dem Moment an, als Eva eigenständige, von den Erwartungen der Mutter abweichende Wege einzuschlagen begann, entzog diese vollumfänglich ihre Zuwendung. Gesundheit und Lebenszufriedenheit der Tochter waren und blieben zweitrangig im Hinblick auf die Vorgaben der Mutter.
    Die emotional missbrauchende Mutter empfindet Autonomiebestrebungen ihres Kindes als Verrat. Bereits eine Meinungsverschiedenheit wird als aggressiver Akt erlebt, jede Unabhängigkeitsbestrebung des Kindes ist mit Angst vor dem Verlust von Macht und Einflussnahme verbunden. Die Mutter verlangt die völlige Identifikation des Kindes mit ihren Erwartungen. Sie drängt es in eine bestimmte Rolle, die es für sich selbst nicht gewählt hätte oder leben würde. Dem Kind wird aber eingeredet, dass die Mutter es besser kennt als es sich selbst und auch besser weiß, was für es gut ist.
    Sie hatte eine Vorstellung, wie ich sein soll. Ich hätte das sein sollen, was mein Bruder ist. Klar, sichtbar nach außen. Ein Akademiker und Unternehmer, aber nicht so etwas Unsinniges wie ein Philosoph, sondern etwas, das die Leute merken. (Zit. n. Schützenhöfer, S. 76)
    Die Kontrolle der Mutter über das Kind ist

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