MUH!
uns, auf der Anhöhe zu warten, während er in den nächsten Stunden den Flughafen erforschte. In dieser Nacht schlichen wir uns dann zu einem Gebüsch, das sich circa dreißig Kuhlängen entfernt von einem Schlagbaum befand. Der wurde bewacht von zwei Männern mit Knallstäben, die gegen den Schlaf ankämpften.
Der Kater deutete auf einen wahrlich riesigen Vogel, der hinter dem Schlagbaum stand und den er Frachtflugzeug nannte. Der Schlund dieses monströsen Dings stand weit offen, und Giacomo flüsterte uns zu: «Da wir müsse rein, wir müsse nur vorher an die beide Wache vorbei.»
«Und wie sollen wir das anstellen?», fragte ich leise.
«Ihr müsse die Wache umrenne.»
«Welch ausgeklügelter Plan», kommentierte Susi spitz. Es war ein Satz, der auch von Hilde hätte stammen können, aber seit der Begegnung mit dem braun gefleckten Stier hatte sie kein Wort mehr gesagt. Langsam machte ich mir Sorgen um sie.
Champion schnaubte: «Klingt wie ein Plan nach meinem Geschmack», dann wandte er sich an uns: «Ihr bleibt hier in Sicherheit.»
Noch bevor irgendjemand von uns reagieren konnte, rannte er aus dem Gebüsch. Champion stürzte sich für die Herde ganz alleine in die Gefahr. Ich vermutete, er wollte sich – und wohl auch uns – seine Männlichkeit beweisen.
Die Wachen schrien auf und zückten ihre Knallstäbe, versuchten, sie auf Champion zu richten, doch der war schneller und riss sie um. Sie fielen zu Boden und verloren durch den Aufprall das Bewusstsein. Wir durchbrachen den Schlagbaum und liefen, so schnell wir konnten – was dank unserer Schwabbelbäuche nicht sonderlich schnell war –, über das Gelände zu einer Rampe in den Bauch des Riesenvogels hinein. In dem kamen wir zwischen lauter Kisten keuchend zum Stehen. Als wir wieder halbwegs ruhig atmen konnten, wunderte sich Radieschen: «Warum sind die Kisten denn so festgebunden?»
«Das ihr werde noch erlebe», antwortete der Kater, und es klang ganz so, als ob dieses Erlebnis kein großer Spaß würde.
Gleich darauf hörten wir ein lautes Knarzen. Der Schlund des Riesenvogels schloss sich. Im Inneren war es jedoch nicht stockfinster, denn durch die Fenster leuchteten die Laternen des Flughafens herein. Plötzlich begann der große Vogel zu brummen, dabei vibrierte es in meinem Magen. Wir waren alle viel zu ängstlich, um an die Fenster zu treten und nachzuschauen, was vor sich ging. Dass Giacomo fröhlich «Jetzt es gehte los!» sang, ließ uns eher schlucken denn mutiger werden. Der Frachtvogel setzte sich langsam in Bewegung, wurde immer schneller und raste schließlich über das Gelände.
«Halte euch feste!», rief Giacomo und umschlang mit seinen Pfoten einen jener Gurte, mit denen die Kisten befestigt waren.
«Warum?», wollte ich wissen.
Der Vogel stellte sich schräg, und wir flogen gegen die Kisten.
«Darume», antwortete Giacomo, während der Vogel vom Boden abhob.
Wir purzelten durch den Bauch des Vogels und lagen schließlich alle in einem Haufen in einer Ecke an der Wand. Starr vor Schreck sahen wir aus den Fenstern und erkannten, dass sich der Vogel immer weiter vom Erdboden entfernte. Unter uns leuchteten jede Menge Lichter in der Nacht, und ich meinte sogar, den Mississippi zu erkennen, an dessen Ufer wir mittags noch entlangmarschiert waren.
Der Frachtvogel stieg immer höher, zu einem weißen Nebel, der von Sekunde zu Sekunde dichter wurde. Radieschen realisierte als Erste, um was es sich bei diesem Nebel handelte: «Das … das sind die Wolken …»
So hoch flogen normale Vögel nicht. Unserer aber flog sogar durch die Wolken hindurch. Dabei ruckelte es enorm. Kurz darauf legte er sich waagerecht und flog friedlich durch die Lüfte. Der Anblick, der sich uns jetzt bot, war atemberaubend. Die Sonne ging über den Wolken auf, und diese lagen rot beschienen unter uns. Bei Naia, sie lagen wirklich unter uns!
«Wir Kühe gehören hier nicht hin …», schluckte Susi.
«Die Menschen aber auch nicht …», meinte Champion.
«Und dennoch sind wir hier …», stellte ich staunend fest.
«Und es ist großartig», fand Radieschen ehrfurchtsvoll.
Ja, das war es.
Wir waren fliegende Kühe.
Dem Himmel so nah.
Kapitel 53
Die Sonne war bereits komplett aufgegangen und leuchtete durch die Wolken hindurch auf ein unendliches blaues Meer, das der Vogel überflog. Erst jetzt konnte ich mich langsam von dem Fenster losreißen. Und das auch nur, weil Susi nölte: «Nach einer Weile wird so ein Anblick aber auch
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