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MUH!

MUH!

Titel: MUH! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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langweilig.»
    Sie ging sich hinlegen, Radieschen war ebenfalls müde und kuschelte sich in der gleichen Ecke ein. Champion hingegen starrte weiter stumpf aus einem der Fenster, dabei schien er ganz in Gedanken versunken zu sein. Ich ließ ihn in Ruhe und ging zu der schweigsamen Hilde, die versonnen das Meer betrachtete.
    «Alles in Ordnung?», fragte ich sie, war ich doch recht besorgt, dass die Sache mit dem schrecklichen braun gefleckten Stier bei ihr tiefe Wunden hinterlassen hatte.
    «Es war noch nie so in Ordnung wie jetzt», strahlte sie über die ganze Schnauze.
    «Wirklich?», fragte ich überrascht.
    «Mein ganzes Leben habe ich gedacht, ich gehöre nirgendwo richtig hin, weil ich anders war als ihr alle. Deswegen habe ich einen Zaun um mein Herz gezogen und mich nie jemandem ganz geöffnet. Ich hatte mir mein eigenes Gefängnis gebaut.»
    «Und jetzt?», fragte ich verwirrt. Ich hatte befürchtet, dass sie sich noch viel verlorener fühlen musste als zuvor.
    «Jetzt weiß ich, dass ich den falschen Traum geträumt habe. Ich brauche keinen Zaun um mein Herz mehr. Ihr seid meine Herde! Ich gehöre zu euch!»
    Und dann schnäuzelte sie mich, so lieb, so zärtlich, wie ich sie noch nie erlebt hatte und wie ich es bei ihr auch nie für möglich gehalten hätte. Sie schnäuzelte so, wie es nur eine Kuh vermochte, die aus ganzem Herzen glücklich war.
    Man konnte das Glück also auch finden, wenn ein Lebenstraum zerplatzt. Und man dadurch erkennt, was man am Leben hat.
    Mit diesem überraschenden Gedanken legte ich mich ebenfalls in die Ecke, und auch Hilde kuschelte sich dazu. Schnell fielen mir nach den ganzen Anstrengungen des letzten Tages die Augen zu, und ich schlief ein. Im Traum merkte ich zu meinem Bedauern, dass über den Wolken die Freiheit zwar grenzenlos war, aber nicht alle Ängste, alle Sorgen darunter verborgen lagen und das, was uns groß und wichtig erscheint, nicht nichtig und klein wurde, nein, leider verfolgte es einen auch über die Wolken. Und es kam sogar näher. Immer näher:
Old Dog hatte jetzt eine blutige Schnauze, das Rot des Blutes vermischte sich mit dem Weiß des Schnees in seinen Haaren. Panisch sah ich mich um, mein kleines weißes Kalb war nirgendwo zu sehen.
Doch ich suchte es auch nicht weiter, ich war fest entschlossen, die Kontrolle über diesen Traum zu erlangen, egal, wie schrecklich er war. Und so schleuderte ich Old Dog entgegen: «Du kannst uns gar nicht folgen. Du bist in New York geblieben. Und wir sind eigentlich in einem Frachtvogel, den du gar nicht kennen kannst, weil wir bis vorhin auch nicht ahnten, dass wir in ihn steigen würden …»
«Ich habe dir nach New York folgen können. Und in deine Träume. Wie kommst du darauf, dass ich dich nicht überall auf der Welt finden kann?»
Das war leider ein guter Einwand.
«Ich werde dich und dein Kleines hier im Himalaja töten …»
Unter anderen Umständen hätte ich womöglich mal nachgefragt, was und wo dieser Himalaja genau war, aber ich war viel zu sehr damit beschäftigt, vor Angst gegen mein Bein zu strullern. Das wiederum könnte ein Hinweis darauf sein, dass ich nicht die Kontrolle über diesen Traum erlangt hatte.
Old Dog lachte: «Und ich werde es tun, wenn du am allerglücklichsten bist!»
Dabei stupste er mit seiner Schnauze gegen meine Schnauze.
Wieder und immer wieder!
Ich fragte mich, was das jetzt schon wieder sollte. Aber er hörte einfach nicht mit dem Stupsen auf …
    … bis ich aufwachte und feststellte, dass Champion es war, der im wirklichen Leben mit seiner Schnauze meine anstupste. Leise bat er mich: «Können wir miteinander reden?»
    Er fragte dies in einem Tonfall, der ein «Nein» als Antwort nicht zuließ. Außerdem war ich von meinem schrecklichen Traum noch viel zu durcheinander, um zu widersprechen. Champion forderte mich auf, mit ihm zu kommen, damit wir die anderen nicht weckten. Wir gingen an das andere Ende des Frachtvogelbauches. Dabei erkannte ich durch die Fenster, dass das Meer unter uns mittlerweile Land gewichen war und wir uns gigantischen felsigen Hügeln näherten.
    «Es wäre schön», meinte Champion, als wir an der anderen Wand stehen blieben, «wenn du das Leben mal mit anderen Augen betrachten könntest.»
    «Mit welchen?», fragte ich.
    «Mit meinen zum Beispiel.»
    «Dann würde ich durch sie auf Susis Hintern gaffen.»
    Die Angst, die mir von dem Traum noch in den Knochen steckte, wurde von der Wut über all die Verletzungen, die er mir zugefügt hatte,

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