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MUH!

MUH!

Titel: MUH! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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gar nichts damit zu tun, ob sie für einen Stier begehrenswert war oder nicht. Sie war über sich hinausgewachsen im Moment der allergrößten Not und hatte dabei in ihrem Inneren etwas entdeckt, von dem weder sie noch wir vermutet hatten, dass sie es besaß: den Mut zu handeln, wenn sie ganz alleine auf sich gestellt war. Einen Mut, den man nur in dem Moment der größten Krise in sich finden kann, wenn aus Feiglingen Helden werden und aus Helden Feiglinge. Diese Entdeckung verlieh Susi echtes Selbstbewusstsein. Und das ließ sie so strahlen und von ganzem Herzen glücklich sein.
    Glück ist also auch, herauszufinden, was alles in einem steckt.
    «Wie kommen wir jetzt hier weg?», fragte Hilde den Kater. «Hier ist kein anderer Vogel in Sicht.»
    «Und selbst wenn einer da wäre», sagte Champion, «ich würde nie wieder in so ein Ding steigen!»
    Giacomo zwirbelte mit der Pfote an seinem angebrannten Schnurrbarthaar und erklärte: «Ich habe nicht die blasseste Schimmer, wo wir seie.»
    Ich blickte mich um und sah die gigantischen steinigen, schneebedeckten Hügel um uns herum. Die Kälte, die hier herrschte, hatte ich dank des brennenden Vogels bisher nicht wahrgenommen, doch allmählich fröstelte ich. Vor uns lag der steinige enge Pfad aus meinen Träumen. In diesem Augenblick hätte ich am liebsten auch keinen blassen Schimmer gehabt, wo wir uns befanden. Doch natürlich erkannte ich, dass wir an jenem Ort waren, den Old Dog in meinem letzten Albtraum als Himalaja bezeichnet hatte. Leider wusste ich daher auch, wo es jetzt für uns langzugehen hatte. Ich deutete mit meinem Huf auf den verschneiten Weg, der in den Himmel zu führen schien, und erklärte: «Wir müssen da rüber.»
    Eigentlich hatte ich erwartet, dass die anderen mir erklärten, dass ich nicht mehr alle Fliegen im Schwarm hatte. Doch Susi war so voller Energie, dass sie verkündete: «Das schaffen wir auch noch!»
    Hilde ergänzte: «Unsere Herde schafft alles!»
    Radieschen lachte: «Ich genieße jeden Moment mit euch!»
    Und Giacomo, der entschlossen war, uns nach Indien zu führen, rief: «Eine für alle, alle für eine.»
    So muhten die anderen drei: «ALLE FÜR EINE, EINE FÜR ALLE!»
    Nur Champion war ganz still. Er warf mir einen intensiven Blick zu, und mir war klar: Hier im Himalaja würde auch über unser Liebesglück oder -unglück entschieden.

Kapitel 56
    Wir stapften mit unseren Hufen durch den Schnee, der tiefer wurde, je höher wir kamen. Zuerst war es nur eine kleine nasse Schicht auf dem Geröll, jetzt versanken unsere Hufe darin. Auch der Pfad wurde immer enger, konnten wir anfangs noch zu mehreren nebeneinandermarschieren, ging es jetzt nur noch in Zweierreihen. Über uns zogen sich Wolken zusammen, würde nachher der Schnee fallen, den ich im Traum gesehen hatte? Andererseits: Mein Kalb war ja noch nicht auf der Welt – bis zur Geburt waren es noch zwei, drei Wochen –, und in meinem Traum war es schon da gewesen. Von daher konnte ich hoffen, dass der Traum keine böse Vorahnung war, wir Old Dog also nicht begegnen müssten und ich in Indien, in der warmen Sonne, mein Kleines zur Welt bringen würde.
    Wir stapften alle tapfer durch den Schnee. Susi wirkte dabei wie ausgewechselt, die Kälte kommentierte sie gelassen: «Gut, dass wir jetzt so fett sind, da frieren wir weniger.»
    Hilde lachte: «Pass auf, wenn du so weitermachst, beginne ich noch, dich zu mögen.»
    Die beiden waren glücklich und zickten sich nicht mehr an. Ihre Streitereien hatten also nicht ihre Ursache darin, dass sie so unterschiedlich waren, sondern darin, dass jede für sich selbst unglücklich gewesen war und das an der jeweils anderen gerne mal ausgelassen hatte.
    Radieschen betrachtete sich Hilde und raunte mir zu: «Es ist schön, Hilde so befreit lachen zu sehen.»
    Tatsächlich, wir waren in einer unwirtlichen Gegend, in der wohl noch nie eine Kuh zuvor gewesen war, aber Hilde lachte. Der Zaun, den sie um ihr Herz all die Jahre gezogen hatte, war endgültig eingerissen.
    Radieschen liebte sie und konnte sich ganz selbstlos an deren Glück erfreuen, egal, ob Hilde ihre Gefühle erwiderte oder nicht. Radieschen suchte nicht nach dem Perfekten, sondern war glücklich mit dem Guten.
    Susi ließ sich zu mir zurückfallen und freute sich über sich selbst: «Ich habe euch gerettet.»
    «Danke», erwiderte ich aufrichtig.
    «Ohne mich wärt ihr draufgegangen.»
    «Danke», erwiderte ich noch mal.
    «Du auch.»
    «Ich weiß», antwortete ich und

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