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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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sind die Verbindungen zwischen den Satzteilen (wie im Russischen) stark und lassen so gut wie keine Auflösungen zu. Polnisch gilt als ‹schwere› Sprache, weil die Aussprache oft ungewohnt ist und das Schriftbild kompliziert erscheint. In einigen deutschen Bundesländern (Sachsen) ist Polnisch seit kurzem Schulsprache, und der akademische Grenzverkehr wird gepflegt (European University Viadrina im brandenburgischen Frankfurt).
Aus der Geschichte des Polnischen
    Das Standardpolnische ist eine relativ alte, große Literatursprache, deren Anfänge ins 17. Jahrhundert hinaufgehen. «Den Übergang zur neupolnischen Epoche in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kennzeichnen vor allem Bemühungen um Sprachreinigung und -verbreitung durch die Aufklärer. (…) Die gefestigte Position der (…) polnischen Literatursprache konnten die Germanisierungs- und Russifizierungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts nicht mehr erschüttern.» (Birnbaum 1998, 122) In der sozialistischenVolksrepublik Polen erfuhr die offiziöse Sprache wie in vielen Ländern des ‹Ostblocks› eine Politisierung und Ideologisierung, was besonders die Politsprache zu einer starren Ikone machte ( nowomowa , nach Orwells newspeak ). Die Gegenreaktion nach 1989 in Gestalt einer Belebung und Mischung der Existenzformen des Polnischen und der wachsende Einfluss des Englischen führten zum Sprachengesetz von 1999, das die ‹Reinheit› der Sprache umfassend schützen soll. Seit 1996 betreibt ein 38-köpfiger ‹Rat der polnischen Sprache› eine strenge Sprachpflege, wacht über das ‹richtige Polnisch› und will es vor Provinzialisierung und ‹niederer› Straßensprache bewahren. Noch heute hat deshalb alles ‹Mündliche› einen schweren Stand. Damit befindet sich die polnische Wissenschaft allerdings nicht im europäischen mainstream .
Eine kurze Grammatik des Polnischen
    Das Polnische ist die einzige slavische Standardsprache, die Nasalvokale hat, die wie in französisch fin und bon klingen: j ę zyk ‹Sprache›, s ą siad ‹Nachbar›. Sie sind im Höreindruck nicht so stark wie im Französischen, weil sie oft das Nasale verlieren und dann eher wie en/on oder gleich wie e lauten, z.B. in będzie ‹wird sein›, piszę ‹ich schreibe›, bądź ‹sei!›. Es gibt keine langen Vokale und keine Umlaute – was sich am deutschen Akzent der Polen deutlich bemerkbar macht.
    Die eigentliche Crux für den Polnisch-Lerner sind aber die Konsonanten und ihre Schreibweise. Nicht nur im Volksmund ist das Polnische eine Sprache der ‹Zischlaute› – es gibt deren zwölf. Sie werden mit komplizierten Buchstabenclustern ( sz; czsz ) und vielen Zusatzzeichen ( ś, ż ) geschrieben, weil die Buchstaben des lateinischen Alphabets allein nicht ausreichten, um alle polnischen Laute wiederzugeben. Die ‹typisch polnischen› Cluster sind allgegenwärtig, prägen jeden Satz und sind unüberhörbar. Unmöglich, sie hier im Detail zu erläutern. Eine Handvoll Musterwörter mag einen Eindruck geben: szczęście ‹Glück›, człowiek ‹Mensch›, miłość ‹ Liebe ›, Krzysztof ‹Christoph›, dziękuję ‹danke›, dżem ‹Marmelade›, dźwig ‹Kran›, dziecko ‹Kind›, wąż ‹Schlange›, źle ‹schlecht›, gęś ‹Gans› usw. Deshalb kommen zu den 32 Buchstaben noch einmal 11 Kombinationen hinzu, also insgesamt 43 Zeichen. Wie im Deutschen werden Konsonanten am Wortende‹hart›, d.h. chleb ‹Brot›, pisarz ‹Schriftsteller›, kod ‹Code›, wróg ‹Feind›, wąż ‹Schlange› klingen dann wie chle p , pisa Å¡ , wru k , wõ Å¡ .
    Polnisch ist die einzige bedeutende Migrantensprache, die eine feste Betonung hat, nämlich auf der vorletzten Silbe: p o lski, potrzeb u ję ‹ich brauche›, rozmawi a my ‹wir reden›, univerz y tet, w univerzyt e cie ‹in der Universität›. Wie das Russische hat es viele weiche Konsonanten, was in der Schrift verschieden angezeigt wird: Pozna ń , mi eć ‹haben›, eine Spezialität ist ein dem englischen double u ( wh at ) verwandter Laut: mia ł a ‹sie hatte›. Der Höreindruck des Polnischen ist relativ klar und

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