Mundtot nodrm
war wieder zur alten Form aufgelaufen. »Wie oft schon, liebe Freunde, stand diese wunderschöne Welt, wie wir sie von hier oben besonders traumhaft erleben, vor dem Abgrund einer apokalyptischen Katastrophe. In den Augen der Machtgierigen sind wir nur Figuren in deren vermeintlichen Sandkastenspielen. Die Welt ist im Klammergriff skrupelloser Politiker und Geschäftemacher, die keine Sekunde daran denken, wie verletzlich dieser Planet ist, dieser winzige Steinbrocken im lebensfeindlichen Universum. Er ist das Paradies, liebe Freunde. Er hat diese Natur und damit auch uns hervorgebracht. Warum und durch wessen Willen auch immer. Mögen die Machtspiele der Verrückten in vergangenen Jahrhunderten dieses Paradies noch nicht in den Grundfesten erschüttert haben, so gibt es jetzt Technologien, ihn zu zerstören oder mit Giften alles irdische Leben auszulöschen. Und um es zynisch zu sagen: Ich hab nur die eine Hoffnung, dass es die Natur von sich aus richtet – und den Menschen beseitigt, bevor er dieses Paradies für alle Zeiten zerstört. Vielleicht wird sich der Planet eines fernen Tages wieder regenerieren und in den viereinhalb Milliarden Jahren, die er nach Meinung der Wissenschaftler noch existieren wird, neue Lebensformen hervorbringen, die möglicherweise intelligenter mit ihm umzugehen verstehen.« Wieder Beifall. »Und wer weiß, liebe Freunde, vielleicht hat sich dies alles schon viele Male wiederholt. Wenn wir jetzt die Weichen nicht neu stellen, ist wieder einmal eine solche Endzeit eingeläutet. Davon bin ich fest überzeugt.« Irritiert verfolgte Bleibach, dass hinter das Gemäuer, das den Zugang zum Plateau markierte, ein größeres Polizeifahrzeug gefahren sein musste. Dort nämlich ragte jetzt ein Blaulicht über die Mauer.
Dann bemerkte er, wie sich ihm von links ein Mann näherte, der ihm während der Vorbereitungen als Kriminalist vorgestellt worden war.
Irgendetwas schien im Gange zu sein.
150
Die zweite Person, auf die die Einsatzkräfte in dem Neu-Ulmer Bauernhaus gestoßen waren, saß versunken in einem alten Sessel und schien überhaupt nicht zu realisieren, was sich in den vergangenen Minuten ereignet hatte.
Es war ein junger Mann, der die Beamten mit weit geöffneten Augen anstarrte. Willenlos und stumm hatte er sich sitzend nach Waffen abtasten lassen. Unterdessen war die Lage der Pistole auf dem Teppich gekennzeichnet worden, ehe sie in Sicherheit gebracht wurde.
»Wir brauchen einen Arzt für ihn«, entschied einer der Beamten und deutete auf den kreidebleichen Mann, dessen Finger sich im Polster des Sessels verkrampft hatten.
»Wie heißen Sie?«, wandte sich ein anderer aus der Gruppe der SEK-Mannschaft an ihn.
Keine Antwort.
»Er steht unter Schock«, mutmaßte ein weiterer »der Doktor ist bereits unterwegs.«
Währenddessen war an der Tür ein Kriminalist aus Neu-Ulm aufgetaucht. »Ich habe in Göppingen Bescheid gesagt. Aber die haben inzwischen ein viel größeres Problem.«
»So? Noch größer?«, staunte jemand.
»Denen will jemand die Spitze des Hohenstaufen wegsprengen.«
151
Kastenwagen und gepanzerte SEK-Fahrzeuge waren nur noch 20 bis 30 Meter voneinander entfernt – als stünden sie sich in einem Krieg gegenüber. Aber nichts anderes war es, dachte Linkohr, der zusammen mit Häberle den hektischen Funkverkehr verfolgte. Jetzt war der Staatsanwalt gefordert, der eigens für die nachmittägliche Großveranstaltung zur Göppinger Direktion gekommen war. Offenbar wurde auch fieberhaft versucht, Kontakt zum Innenministerium aufzunehmen, was sich an einem Samstagnachmittag, dazu noch vor einer entscheidenden Landtagswahl, schwierig gestaltete.
Und selbst Oberstaatsanwalt Dr. Wolfgang Ziegler hatte sich offenbar in ein längeres Frühlingswochenende verabschiedet.
Häberle überlegte, ob er sich noch einmal einschalten sollte. Auf dem Berg hatten sie Bleibach inzwischen höflich gebeten, seine Rede auf geordnete Weise zu beenden und die Menschen aufzufordern, sofort den Rückweg anzutreten. Dies schien tatsächlich ohne Panik funktioniert zu haben. Bleibach als begnadetem Redner war offenbar spontan eine Formulierung eingefallen, die keinerlei Chaos auslöste.
» Ich möchte Sie bitten, liebe Freunde «, hatte er gesagt, » entgegen unseres geplanten Programms jetzt gleich den Hohenstaufen zu verlassen. Ich habe bereits angedeutet, dass wir nicht nur Freunde haben. Möglicherweise ist eine Gegen-Kundgebung geplant, die für den frühen Abend vorgesehen
Weitere Kostenlose Bücher