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Mundtot nodrm

Mundtot nodrm

Titel: Mundtot nodrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Motor.
    Weg. Nichts wie weg.

141
     
    Bleibach hatte Mühe, sich auf den Ablauf seiner Rede zu konzentrieren. Irgendwie war Bewegung in die Menge geraten. Zuerst nur am Rande, wo sich der Mann aus seiner Gruppe einen Weg gebahnt hatte, und nun vernahm er von hinten, aus Richtung des Tales, Hubschraubergeräusche. Trotzdem wollte er sich nicht beirren lassen. Inzwischen war er beim Thema Kernkraft angelangt, das seit zwei Wochen die Weltöffentlichkeit beschäftigte. »Mit Atomkraft, liebe Freunde, kann die Menschheit die biblische Apokalypse auslösen. Mit keiner anderen derzeit bekannten Technologie kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden, die völlig außer Kontrolle gerät. Und soll mir doch keiner sagen, dies alles sei zu beherrschen. Wo Menschen für etwas verantwortlich sind, kann es Fehler geben. Das ist keine Schande, sondern es liegt in der Natur von uns Menschen.« Bleibach war darauf bedacht, dieses Thema betont sachlich anzugehen, was ihm nicht immer gelang. Viel zu sehr gingen dabei die Emotionen mit ihm durch. »Wer also erdreistet sich zu behaupten, dies alles sei locker in den Griff zu bekommen? Zwei Mal schon ist die Welt an einer Katastrophe entlanggeschrammt, sowohl in Tschernobyl als auch in Three Miles Island in den USA. Und der dritte GAU ist noch lange nicht ausgestanden. Die Folgen werden für Japan verheerend sein, auch wenn in einigen Monaten oder Jahren niemand mehr drüber spricht und die Weltöffentlichkeit so tun wird, als habe es Fukushima niemals gegeben. Dass dort weite Landstriche auf Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende nicht mehr betreten werden dürfen und als Sperrgebiet auf den Weltkarten eingetragen sein werden, das interessiert ebenso wenig wie die Strahlungsopfer, die es noch bis Mitte unseres Jahrhunderts zu beklagen geben wird. Niemand wird aber dann mehr den Mut haben zu sagen, Fukushima sei dran schuld.« Bleibach legte eine Pause ein. Doch diesmal brandete kein Beifall auf, sondern es machte sich betretene Stille breit, sodass das Rattern des Hubschraubers nun deutlich zu hören war. Immer mehr Menschen in der Menge drehten sich in Richtung des Zugangswegs, der bei der Schutzhütte von dem Plateau abwärts führte. Bleibach wandte sich kurz fragend nach links zu seinen Helfern. Diese ermunterten ihn mit Handbewegungen, die Rede fortzusetzen.
    »Auch unter uns, liebe Freunde, sind viele Menschen, die man zu Strahlungsopfern gemacht hat, obwohl sie es vielleicht nicht wissen. Alle, die jetzt 60, 70 Jahre alt sind, waren in den 50-er Jahren den Folgen der wahnwitzigen und machtgierigen Atomtests ausgesetzt, die unter- und überirdisch gemacht wurden – weit weg, wie man aus damaliger Weltanschauung noch dachte, im Pazifischen Ozean. Was in diesen Jahren an Radioaktivität um den Erdball gekreist ist, hätte heute einen Aufschrei des Entsetzens zur Folge. Ich bin davon überzeugt, liebe Freunde, dass die statistischen Zahlen der Krebserkrankungen nicht nur auf die bessere Diagnostik zurückzuführen sind, wie man es uns oftmals weiszumachen versucht, sondern auf die Langzeitschäden als Folgen dieser Atomversuche.« Jetzt gab es wieder Beifall.
    Das bot einem der Helfer Gelegenheit, Bleibach anzustupsen. »Wir haben ein Problem«, flüsterte der Mann. So richtig vermochte es Bleibach aber nicht zu deuten. Er bemerkte jedoch, dass auch Konarek unruhig wurde. Und das war kein gutes Zeichen.

142
     
    Häberle und Linkohr waren mit dem Dienstwagen die steile und kurvenreiche Straße von Hohenstaufen hinabgerast, um auf dem folgenden ebenen Stück rechts in die kleine Verbindungsstraße nach Hohrein einzubiegen. Vor ihnen drehte der Hubschrauber enge Steilkurven. »Dürfte ja nicht allzu schwer sein, dort einen Kombi ausfindig zu machen«, meinte Linkohr, musste sich dann aber sogleich eingestehen, dass er mit dieser Einschätzung falsch lag. Überall auf Feldwegen und Wiesen parkten Kastenwagen und Wohnmobile. Viele davon hatten Satellitenschüsseln auf den Dächern.
    »In der letzten halben Stunde bevor’s losging, war die Sperrung nicht mehr zu halten«, knurrte Häberle, der in irrsinnigem Tempo in die Senke hinabbrauste, in der sich die Ansiedlung befand. »Die sind durch alle möglichen Schlupflöcher hier reingefahren«, ärgerte sich der Chefermittler, während im Funkgerät eine Meldung die andere jagte. ›Bussard‹, wie der Hubschrauber im Funkverkehr genannt wurde, teilte soeben der Einsatzleitung mit, dass er am östlichen Rande von Hohrein, oben am

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