Mundtot nodrm
auch mit Brunzel.«
»Mit Brunzel?«, staunte Häberle. Brunzel hatte sich schließlich in all den Jahren, in denen sie zusammenarbeiteten, so gut wie gar nicht in seine Karten blicken lassen.
»Ich hab ihm entsprechende Anweisung gegeben«, sagte Baldachin, als könne er Häberles Gedanken erraten. »Und noch etwas«, fügte er an, »ich will stets über alles informiert werden. Über alles. Auch über Kleinigkeiten. Haben wir uns da verstanden?«
Häberle nickte. Ihm war klar, dass ihn nur sein Alter davor bewahrte, auf die Risiken und Nebenwirkungen eines Karriereknicks hingewiesen zu werden.
30
Die Nacht lag lau über Coober Pedy. Über der klaren Luft des Outbacks präsentierte sich der Sternenhimmel wieder in seiner ganzen Schönheit. Doch Maximilian Greenman konnte nicht schlafen. Er stand jetzt, kurz vor 22 Uhr, am offenen Fenster und blickte über die kleinen Häuschen hinweg, die knapp 50 Meter von ihm entfernt standen und nur wenig beleuchtet waren. Mein Gott, wie weit war er von zu Hause weg. Immer, wenn er in schlaflosen Nächten so dastand, stellte er sich den Planeten Erde vor, der als unscheinbare Kugel im Nichts in der feindlichen Umgebung des Universums schwebte. Es gab kein Unten und kein Oben – und nur, weil den Menschen von Kindheitstagen an der Globus so dargestellt wurde, dass der Nordpol oben war, bildeten sich die Bewohner der nördlichen Breitengrade ein, ›oben‹ zu wohnen. In Wirklichkeit jedoch vermochte aus dem Weltall niemand zu sagen, was nun tatsächlich oben oder unten war. Überdies suggerierte die Schwerkraft den Menschen auf der Erde ohnehin, dass dort, wo ihre Füße den Boden berührten und wohin die Gegenstände fielen, ›unten‹ sei. Jeder Mensch stand, für sich allein gesehen, immer ›auf‹ der Erde und hatte nie den Eindruck, auf einer Kugel zu gehen. Greenman musste an einen Heimflug denken, der ihn nicht über Südostasien, sondern über den amerikanischen Kontinent geführt hatte. Seither konnte er im Freundeskreis witzeln, er habe sich von der Kugelform der Erde selbst überzeugen können. Jetzt aber wollte er diese Gedanken nicht weiter verfolgen. Viel wichtiger war ihm die Frau, die ihm jene rätselhaften Nachrichten übermittelt hatte. Sie ist in Gefahr, hämmerte es in seinem Gehirn. Sie wird verfolgt, bedroht oder in etwas hineingezogen, das alles übersteigt, was sie bisher erlebt hat. Irgendetwas in seinem Kopf spielte ihm ein Horror-Szenario vor. Denn wenn es ganz schlimm kam, war sie vielleicht schon tot.
Während er am offenen Fenster stand, diese Schreckensfantasien über sich ergehen ließ und die fremdartigen Stimmen exotischer Vögel dazu die schaurige Hintergrundmusik lieferten, drang das Geräusch eines näherkommenden Motors zu ihm herüber. Die schmale Zufahrtsstraße, die in dieses großzügig bemessene Wohngebiet führte, verlief etwa 50 Meter abseits des Grundstücks, das mit Natursteinen abgegrenzt war. Einige blassgrüne Sträucher, die tagsüber ein bisschen Schatten spendeten und deren Namen sich Greenman nicht merken konnte, fristeten ein eher trostloses Outback-Dasein. Er war darauf bedacht, das Areal übersichtlich zu belassen, um Schlangen keine Unterschlupfmöglichkeit zu bieten. Denn nichts hasste er mehr als Schlangen. Und die gab es hier reichlich, hatte er sich sagen lassen. Glücklicherweise war ihm erst ein einziges Mal eine begegnet. Vermutlich eine besonders giftige Death Adder.
Zwei Minuten nachdem sich das Motorengeräusch hinter der Gebäudeecke verloren hatte, zerrissen die elektronischen Töne der Haustür-Sprechanlage das Idyll des nächtlichen Vogelgezwitschers. Greenman zuckte zusammen und schaute instinktiv auf seine Armbanduhr. 23.10 Uhr. Obwohl es durchaus vorkam, dass ihn einige Kollegen zu dieser Zeit noch besuchten – insbesondere, wenn es einen Geburtstag zu feiern gab und sie auf dem Heimweg von der Spätschicht waren –, so erschien ihm heute ein spätabendlicher Besuch doch ungewöhnlich. Er ging in die beleuchtete Diele und meldete sich über die Sprechanlage mit einem knappen: »Hallo?«
»Mr. Greenman?«, schepperte eine Männerstimme im Hörer. Er versuchte krampfhaft, sie jemandem zuzuordnen. Doch der Tonfall war ihm nicht vertraut.
»Yes«, entfuhr es Greenman und er lauschte.
»Oder soll ich lieber Max Grüninger sagen?«, sprach die Stimme im Hörer unerwartet auf Deutsch.
»I don’t understand«, gab er sich vorsichtig zurückhaltend. Dass ihn jemand mit seinem deutschen Namen
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