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Mundtot nodrm

Mundtot nodrm

Titel: Mundtot nodrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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seinem Job nicht verloren hatte. Oft schon waren sie im trauten Kreis auf eine Idee gestoßen, mit der die Ermittlungen in dem einen oder anderen Fall einen entscheidenden Schritt weiterkamen. Susanne war immer die Außenstehende, die deshalb vermeintlich ›dumme Fragen‹ stellte, damit jedoch neue Impulse brachte.
    Auch innerhalb der Polizeidirektion war man sich über das weitere Vorgehen uneins, zumal inzwischen das für Leipheim und Neu-Ulm zuständige Polizeipräsidium Schwaben Süd/West in Kempten wissen wollte, was Göppingen zu tun gedenke.
    Direktionschef Hans Baldachin wartete offenbar stündlich auf irgendwelche Anweisungen aus dem Landes-Innenministerium. Doch weil man sich dort bedeckt hielt, sah er sich zunehmend von einer inneren Stimme genötigt, eine Entscheidung herbeizuführen, um nachher nicht als zögerlich dazustehen.
    Andererseits konnte man bei politischen Angelegenheiten leicht zwischen alle Fronten geraten oder sogar aufs falsche Pferd setzen, womit es dann ratsam war, so schnell wie möglich in Deckung zu gehen, um nicht in die Schusslinie zu geraten oder als Bauernopfer auserkoren zu werden.
    »Die Entscheidung kann ich Ihnen nicht abnehmen. Sie sind der Chef«, stellte Häberle an diesem Novembermorgen fest.
    Baldachin wirkte ungewöhnlich nervös und ließ erkennen, wie dünnhäutig man in den leitenden Etagen der Polizei bereits geworden war. Immerhin forderte das umstrittene Stuttgarter Bahnprojekt mit all seinen Demonstrationen eine hohe Polizeipräsenz – auch wenn gerade erst die Schlichtung mit Heiner Geißler für eine gewisse Abkühlung der erhitzten Gemüter sorgte. Aber seit dem sogenannten schwarzen Donnerstag, dem 30. September, als mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vorgegangen worden war und das Foto jenes Mannes, dem ein Wasserstrahl die Augen quasi herausgerissen hatte, durch die Presse ging, hatten die Auseinandersetzungen eine neue Qualität angenommen. Da fehlte es jetzt gerade noch, dass es mit Bleibach weitere politische Unruhen gab. Immerhin war in rund vier Monaten in Baden-Württemberg Landtagswahl und manche aus bürgerlichen Regierungskreisen befürchteten schon, nach 58 Jahren die Macht zu verlieren, und dies womöglich sogar an die Grünen. Dies käme einem Kulturschock gleich, hatte ihm ein ehemaliger Studienfreund aus der Ministerialbürokratie schon vor einigen Wochen zugeflüstert – und verraten, dass der Ministerpräsident keinen Spaß verstehen würde, sollte im nächsten Vierteljahr sicherheitspolitisch etwas aus dem Ruder laufen. Baldachin war zwar noch rechtzeitig vor der Pensionierung in eine Position gehievt worden, die ihm finanzielle und berufliche Sicherheit bescherte, doch ließen ihn solche Bemerkungen aufhorchen.
    Dies alles dürfte ihm im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf gegangen sein, als er jetzt Häberle gegenübersaß, der ein vielsagendes Grinsen andeutete. Aus jahrelanger Erfahrung wusste er um die politischen Seilschaften, die in diesem Bundesland, das von jeher von ein und derselben Partei regiert wurde, umso enger geknüpft waren. Das hatte unbestritten Vorteile für alle jene, die mit am Seil hingen. Denn selbst, wenn sie fielen, gab es zahlreiche Netze, die sie auffingen und in irgendwelchen Institutionen, Beratungsgesellschaften oder Verbänden und Lobbyisten-Runden für Lohn und Brot sorgten – natürlich nicht leistungsbezogen.
    »Ich schlage vor«, gab sich Baldachin plötzlich entschlossen, »wir ermitteln mal auf kleiner Flamme. Sie und dieser junge Kollege, der so gerne mit Ihnen zusammenarbeitet …« Er suchte nach dem Namen. Häberle ergänzte ihn: »Linkohr, Mike Linkohr.« Der Chefermittler grinste in sich hinein. Es war ihm bisher eine Freude gewesen, mit dem engagierten jungen Kollegen gemeinsam zu ermitteln, der sich seinen Charakter noch nicht von Bürokraten und Dummschwätzern hatte verderben lassen. In diesem Moment fiel Häberle auch ein, dass er schon lange nichts mehr von Linkohrs glücklosen Frauengeschichten gehört hatte. Er würde ihn deshalb nachher gleich anrufen, beschloss er.
    »Aber ohne großes Aufsehen«, riss ihn Baldachin aus seinen Gedankengängen, wobei der Direktionschef natürlich etwas anderes meinte als die Dinge, die Häberle gerade durch den Kopf gewandert waren.
    »Es geht mir darum, die Szene zu beobachten, vielleicht den Kontakt nach Neu-Ulm zu halten …« Er wollte noch etwas sagen und schien um eine Formulierung zu ringen. »… und vernetzen Sie sich in der Sache

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