Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
ging man mit den Zweigen durch alle Zimmer, um sie zu reinigen. Danach versprühte meine Großmutter überall das Wasser aus einer nahen Furt. Dann wurde das Haus verschlossen, und der Rauch vernebelte die Zimmer. Erst wenn sich der letzte Gast in Hustenkrämpfen wand, wurden die Fenster geöffnet, um das neue Jahr hereinzulassen.«
»Dann kann ich ja nur froh sein, dass die Munroys das Saining nicht mehr im alten Stil zelebrieren.« Lili schenkte dem Doktor ein Lächeln. Sie hatte den vornehmen älteren Herrn auf Anhieb ins Herz geschlossen.
»Geht es Ihnen wirklich wieder gut?«
Lili nickte. »Ja, es war wohl doch alles ein wenig zu viel. Die Reise, die Verlobung, die vielen Menschen …«
»… Lady Ainsley nicht zu vergessen«, ergänzte der Arzt schmunzelnd.
Lili sah ihn verdutzt an. Wusste inzwischen jeder, dass die feine Lady keine Gelegenheit ausgelassen hatte, sie zu demütigen?
»Ich bin nicht taub. Da war doch dieser kleine Eklat mit Isobel und Murron. Was meinen Sie, wer dem armen Mädchen die Gemeinheiten zuflüsterte? Und dann konnte ich zufällig beobachten, wie sie sich an Sie heranpirschte, woraufhin Sie einen kleinen Zusammenbruch erlitten. Deshalb war ich doch so schnell bei Ihnen, und wenn Sie den Rat eines alten Mannes hören wollen: Halten Sie sich von dieser Dame fern. Sie ist eine Königin der Intrige.«
»Ich verspreche Ihnen hoch und heilig, in Zukunft einen Riesenbogen um die Lady zu machen.«
In diesem Augenblick ertönten die Glocken der Old High Kirk.
»Fünf vor zwölf. Kommen Sie, wir stellen uns schon einmal beim Kessel mit dem Hot Pint an.«
Lili folgte dem Doktor und fragte sich, ob sich Niall wohl noch rechtzeitig zum Jahreswechsel an ihrer Seite einfinden werde. Suchend sah sie sich um und entdeckte, wie er schon wieder angeregt mit Lord Fraser plauderte. Ihr Blick schweifte zu Mhairie, die ganz allein in ihrem Sessel saß und versonnen ins Kaminfeuer starrte. Lili trat auf sie zu und bot ihr an, sie zum Getränkekessel zu begleiten.
»Das ist lieb von dir«, sagte die alte Dame. »Aber ich feiere gern in Gedanken mit einem geliebten Menschen, der schon lange dort oben ist.« Sie deutete seufzend gen Himmel.
»Dann will ich dich nicht weiter stören«, erwiderte Lili und hätte zu gern erfahren, an wen Mhairie in dieser Stunde so intensiv dachte. Sie hatte nämlich nicht den Eindruck, dass Nialls Großmutter von ihren Söhnen oder gar ihrem Mann Angus sprach.
»Du kannst mir aber ein Glas von dem Höllentrank einschenken, mein Kind.«
Selbstverständlich erfüllte Lili der alten Dame den Wunsch und brachte ihr ein Glas von dem dampfenden Punsch. Sie schaffte es gerade noch, sich im Kreis der anderen aufzustellen, als der Dudelsack Auld lang Syne spielte und alle in das alte Lied einstimmten. Lili wurde feierlich zumute, während sie voller Inbrunst mitsang, obwohl Niall auf der anderen Seite stand und nicht ein einziges Mal zu ihr herübersah. Als schließlich von beiden Seiten Kinderhände nach ihr griffen, wurden ihre Augen feucht. Es rührte sie, dass auch Murron sich offenbar der Augenblicke besann, als sie in der Schule im Chor gesungen hatte.
»Miss Campbell«, flüsterte Murron, als der letzte Ton verklungen war, »ich muss Ihnen etwas sagen.« Lili wandte sich dem verlegen lächelnden Mädchen zu. »Ich mag Sie immer noch und wünsche Ihnen für das neue Jahr viel Glück.«
»Das ist lieb von dir.« Lili wollte sich gerade Isobel zuwenden, als Niall sie von hinten umarmte und ihr ein glückliches neues Jahr wünschte. Dann gab er ihr einen Kuss auf die nackte Schulter, doch Lili war nicht ganz bei der Sache. Ihre Gedanken kreisten um Dusten und wie er in dieser Minute wohl als schwarzhaariger Mann an Lady Donellas Tür klopfte und Einlass begehrte. Glücklicherweise bemerkte Niall nicht, dass ihre Aufmerksamkeit nicht ihm galt. Im Gegenteil, voller Zärtlichkeit flüsterte er ihr ins Ohr, wie sehr er sich danach sehne, sie endlich als Lady Munroy in den Armen zu halten.
Plötzlich wurde es hinter ihnen totenstill. Das fröhliche Lachen der Gäste, der Austausch der Glückwünsche, die angeregten Gespräche waren jäh verstummt. Lili wandte sich verwundert um. Ein alter Mann mit schwarzem Haar stand an der Tür.
»Wer ist das?«, fuhr Lady Caitronia das deutsche Dienstmädchen an.
Die hob die Schultern. »Ich habe ihn eingelassen, weil ich dachte, er bringt uns Glück, weil er doch schwarzes Haar hat und …«, erklärte sie entschuldigend.
Lili
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