Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
ächten …«
»Aber ich habe das schöne Haus und den Park, die Wiesen, und überhaupt, das Erbe meines Vaters!«, widersprach Mhairie leidenschaftlich.
»Nein, mein Kind, dein Vater hat mehr Schulden hinterlassen, als du dir vorstellen kannst …«
»Schulden?« Mhairies Stimme überschlug sich vor Erregung. »Doch nicht etwa bei Angus?«
»Nein, bei Rory, aber er wurde für tot erklärt, und sein Erbe ist kein Geringerer als sein Bruder Angus. Und dieser ist im Besitz des Schuldscheins und kann das Geld jederzeit zurückfordern.«
»Aber ich habe kein Geld«, stieß Mhairie verzweifelt hervor.
»So ist es, und deshalb ist mir eine andere Lösung in den Sinn gekommen.«
»Und welche?«, fragte Mhairie ahnungslos.
»Du wirst Angus’ Frau, Lady Mhairie.«
»Niemals werde ich diesen Kerl heiraten!«, schrie sie entsetzt. »Lieber gehe ich ins Wasser.«
»Mit deinem Kind?«
»Nein, natürlich nicht, das war nur so dahergesagt. Aber selbst wenn ich mich überwinden könnte, was ich mir um keinen Preis dieser Welt vorstellen kann … du glaubst doch nicht, dass mich Angus Munroy zur Frau nähme, wenn er wüsste, wessen Kind ich unter dem Herzen trage.«
»Ich habe ja nicht gesagt, dass er jemals die Wahrheit erfahren muss.«
»Onkel Murray, das kann nicht dein Ernst sein«, entfuhr es Mhairie voller Empörung.
»Ich weiß, du hältst mich für einen Heuchler und Lügner, aber ich kenne Angus und weiß, dass auch er seine guten Seiten hat. Wenn überhaupt jemand, dann könntest du, Mhairie, dem Hass zwischen den Clans ein Ende bereiten.«
»Ich? Niemals? Ich hasse ihn noch mehr, seit er Artairs Familie ins Unglück gestürzt hat. Ich kann doch mein Kind nicht den Feinden seines Vaters ausliefern. Nein, nur über meine Leiche«, rief Mhairie kämpferisch aus.
»Verzeih mir, mein Kind, ich bin kein Unmensch, das war nur so ein Gedanke, wie alles gut werden könnte …«
»Dieser Verbrecher hat die Makenzies hartherzig von ihrem Grund vertrieben. Nein, lieber Onkel Murray, ich eine von ihnen? Damit würde ich mich ebenfalls schuldig machen. Ich werde warten, bis ich eine Nachricht von Artair bekomme, und dann wird er für mich sorgen. Dann folgen wir ihm eben nach Kanada. Jetzt hält mich doch nichts mehr hier in meiner Heimat.«
»Gut, dann müssen wir dafür sorgen, dass du so viel Geld für das Anwesen bekommst, dass du erst einmal davon leben kannst. Den Rest gebe ich dir dazu. Und du musst zu Kräften kommen. In deinem jetzigen Zustand wirst du die lange Überfahrt nicht überstehen. Das sind kleine Schiffe, deren unteres Deck mit den vertriebenen Croftern aus den gesamten Highlands vollgepfercht ist …«
»Wie auch immer, ich will zu ihm. Koste es, was es wolle!«
Der Onkel schenkte ihr einen bewundernden Blick. »Du warst immer schon eine Kämpferin«, bemerkte er. »Aber versprich mir, heute im Bett zu bleiben. Ich werde alles für die Beerdigung deines Vaters veranlassen.«
Mhairie versprach, folgsam zu sein, und zog sich die Decke über den Kopf. Sie fröstelte. Doch diese Kälte kroch aus ihrem Innern hervor und verbreitete sich in alle Glieder. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu dem absurden Vorschlag des Doktors ab, aber ihr Entschluss stand fest. Sie würde Artair folgen, wohin ihn Angus Munroy auch immer wie Schlachtvieh verfrachtet haben mochte. Doch allein bei dem Gedanken an ein fernes, fremdes Land musste sie mehrfach schlucken. Die Vorstellung, ihre geliebten Highlands zu verlassen, wollte ihr schier das Herz zerreißen.
37
Marybank, Juni 1850
Mhairies Vater war nun seit über zwei Wochen tot. Sie hatte nichts von seinen Sachen angetastet. Immer noch lag das Buch, in dem er zuletzt gelesen hatte, neben seinem Sessel, als wolle er es im nächsten Augenblick aufschlagen und sich darin vertiefen. Auf seiner Beerdigung war auch Angus gewesen, den sie keines Blickes gewürdigt hatte. Auch nicht, als er ihr seinen baldigen Besuch angekündigt hatte. Sie konnte nur hoffen, dass er sich nicht traute, nachdem sie ihn am offenen Grab vor allen Trauergästen kalt hatte abblitzen lassen. Es verging kein Tag, an dem sie nicht auf eine Nachricht von Artair wartete, vergeblich. Sie war ein einziges Mal zum Anwesen der Makenzies geritten. Das Haus war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Mhairie hatte herzzerreißend geweint, bevor sie die Ruine nach Spuren abgesucht hatte. Und tatsächlich, den halb verkohlten Gedichtband hatte sie gefunden und mitgenommen. Nun stand er auf dem
Weitere Kostenlose Bücher