Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
schrieb ich Artair einen Brief, dass ich Abend für Abend auf ihn warten werde und er mich entführen solle, aber er kam nicht, doch ich weiß sicher, dass er mich geliebt hat. Diese verdammte Fehde zwischen den Munroys und den Makenzies! Ich hasse das und …«
»Ich auch«, unterbrach Mhairie sie knapp und erhob sich. »Ich glaube, wir sollten zurück. Angus wartet sicher schon auf uns.«
»Er ist fortgeritten und hat gesagt, wir sollen mit dem Essen nicht auf ihn warten«, entgegnete Harriet.
Mhairie blickte ihre Schwägerin verwundert an. »Aber er hat heute einen freien Tag und hat sich doch ausdrücklich einen Braten zum Mittagessen gewünscht.«
Harriet hob die Schultern. »Ich habe nur gesehen, dass ein kleiner Junge mit einem Brief kam und Angus daraufhin ziemlich schnell fortritt.«
»Merkwürdig«, murmelte Mhairie, doch ihre Erleichterung, dass Harriet aufgehört hatte, von ihrer unerfüllten Liebe zu Artair zu schwatzen, überwog. »Es wird sicher etwas mit den Schafen sein«, fügte sie hinzu. Allerdings war ihr die Lust, länger am Loch Meig zu verweilen, gründlich vergangen.
»Komm, wir brechen auf!«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Los, Brian, wir wollen nach Hause!«
»Will noch bleiben«, widersprach der kleine Kerl trotzig.
»Und wenn ich dir verrate, dass es Hirschbraten gibt?«
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Kindes aus, und schon folgte es seiner Mutter artig am Ufer des Loch Meig entlang bis zur Kutsche.
In Scatwell Castle angekommen, eilten alle sogleich in das Esszimmer. An der gedeckten Tafel wartete bereits Angus’ Mutter, Lady Sorcha, voller Ungeduld.
»Wo bleibt ihr nur? Das Essen ist fertig, und keiner kommt. Wo steckt Angus?«
»Ich habe keine Ahnung, wo er steckt. Ich dachte, er sei bereits hier.«
»Ach, das war früher anders, als mein Mann und Rory noch lebten. Wir haben immer gemeinsam gegessen und alle waren pünktlich …«
»Er ist sicher bei den Herden«, unterbrach Mhairie ihre Schwiegermutter hastig. Sie war nicht in der Stimmung, sich die alten Geschichten von früher anzuhören. Dass Harriet so unverhofft auf Artair zu sprechen gekommen war, das hatte sie stärker aufgewühlt, als sie zugeben wollte. Sofort waren ihre alten Schuldgefühle dem Geliebten gegenüber wie eiternde Wunden aufgebrochen. Wenn er wüsste, dass ich seinen Feind nicht nur geheiratet habe, sondern ihn inzwischen sogar mag, dachte sie zerknirscht.
Lady Sorcha riss sie aus ihren zermürbenden Gedanken. »Dann fangen wir ohne ihn an. Der kleine Brian hat Hunger.«
Mhairie aber vermochte kaum einen Bissen hinunterzuwürgen und war froh, dass sie nach dem Essen eine Ausrede hatte, sich rasch zurückzuziehen, denn sie musste Brian zum Mittagsschlaf ins Bett bringen.
Er war müde vom Ausflug zum See und weinte, als sie ihn nach oben zu seinem Zimmer bugsierte. Plötzlich kam ihr auf dem Flur eine Gestalt entgegen.
»Angus!«, rief sie erfreut, als sie ihren Mann erkannte. »Wo warst du bloß, wir haben auf dich …« Doch dann raubte sein Anblick ihr die Worte. Er sah entsetzlich aus. Seine Oberlippe blutete, seine Kleidung war nass und verschmutzt, und das Haar hing ihm wirr in die Stirn.
»Um Himmels willen, was ist geschehen?«, fragte sie erschrocken, doch er durchbohrte sie mit einem Blick, den sie nicht kannte. Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte blanken Hass daraus gelesen.
»Du sollst mich ins Bett bringen«, bettelte Brian und wollte sich an seinen Vater schmiegen, doch der stieß das Kind grob beiseite und verschwand in seinem Zimmer.
Brian heulte laut auf, und Mhairie schaffte es nur mit Mühe, ihn zu beruhigen, und brachte ihn zu Bett. Doch er wollte nicht schlafen, fragte ständig nach seinem Vater. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie sein gleichmäßiges Atmen hörte. Endlich war er eingeschlafen.
Mit klopfendem Herzen eilte Mhairie zu Angus’ Zimmer. Sie hatte keine Ahnung, was geschehen war, aber sie spürte die Bedrohung, die über ihrer Familie schwebte, beinahe körperlich.
Zögernd öffnete sie die Tür und sah überall auf dem Boden verstreut die schmutzige Kleidung liegen, die er sich regelrecht vom Leib gerissen haben musste. Von ihm keine Spur. Wie von Sinnen rannte sie die Treppen hinunter, um ihn zur Rede zu stellen, doch sie fand nur seine Mutter vor.
»Weißt du, wo Angus ist?«, fragte Mhairie und versuchte, das Beben ihrer Stimme zu unterdrücken.
Lady Sorcha schüttelte den
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