Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
Lippen von den ihren gelöst hatten, sah Niall sie mit ganz anderen Augen an. Sein Blick war weich, seine blauen Augen schienen wie mit einem Schleier überzogen zu sein und wirkten geheimnisvoller denn je. »Ich gebe dich auch nicht wieder her. Niemals. Du gehörst mir«, flüsterte er.
Lili überhörte geflissentlich, wie besitzergreifend er über sie redete, sondern spürte immer noch der wohligen Hitze in ihrem Bauch nach.
»Verzeih, dass ich Isobel mit der Neuigkeit schockiert habe, aber sie fängt sich ganz gewiss bald wieder«, erklärte sie beinahe entschuldigend.
»Das hoffe ich auch, denn warum sollte sie dich weniger lieben, nur weil du nicht mehr ihre Lehrerin bist, sondern in Zukunft ihre Mutter sein wirst?«
Sofort machte sich in Lili wieder dieser innere Widerstand breit. Sie wollte nicht den Platz von Isobels Mutter einnehmen, sondern dem Mädchen Vertraute und Freundin bleiben. Sie wollte deren Talente fördern und ihr eine Schulter zum Anlehnen bieten. Und sie beabsichtigte, ihr jene Fröhlichkeit zu erhalten, die das Kind besonders nach seinem Erfolg beim Auftritt des Gillie Cullum entwickelt hatte.
Statt ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen, seufzte sie. »Wir werden schon gut miteinander auskommen.«
Mit einem flüchtigen Blick auf ihre einfache Armbanduhr, die ihr Davinia einst zum Examen geschenkt hatte, stellte sie fest, dass sie sich beeilen musste.
»Ich werde hinter der Bühne gebraucht. Ich muss den Mädchen noch einmal gut zureden, bevor es losgeht.«
Als sie sich daraufhin hastig umwenden wollte, hinderte Niall sie daran. Lili sah ihn irritiert an.
»Geh nie, ohne dich von deinem Mann verabschiedet zu haben!« Er lachte, doch dies hatte wenig gemein mit dem ansteckenden Lachen, das sie vorhin bei ihm erlebt hatte. Seine Augen strahlten etwas Unnahbares aus. Sie konnte nicht wirklich in ihnen lesen.
Lili hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und riss sich los. Warum stört es mich, dass er auf einem Abschiedskuss besteht?, fragte sie sich und hatte ihre Antwort gerade gefunden, als sie aus der Kälte des Parks zurück in das Schulgebäude schlüpfte. Es war nicht der Kuss selbst, der sie störte. Im Gegenteil, sie war als Kind niemals aus dem Haus gegangen, ohne ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange zu geben. Nein, es war vielmehr die Art und Weise, wie er ihn einforderte. Nicht zärtlich werbend oder spielerisch, sondern verbissen und herrisch. Würde sie sich je an einen solchen Umgangston gewöhnen und überhaupt jemals seine Erwartungen erfüllen können?
Lili wurde das Gefühl nicht los, dass mit Sir Niall etwas nicht stimmte. Du bist albern und siehst Gespenster, sprach sie sich energisch zu und eilte zum Festsaal.
8
Edinburgh, 23. Dezember 1913
Lili kam völlig außer Atem hinter der Bühne an. Sie stutzte. Die Mädchen standen in einem riesigen Pulk um Isobel herum, die wie von Sinnen schrie: »Und, wenn ihr es nicht glaubt, dann fragt sie doch selbst! Sie verlässt euch, weil sie meinen Vater heiratet.«
Lili konnte gerade noch hinter einem Pfeiler Deckung suchen, als das dutzendfache Protestgeschrei der Chormädchen losbrach.
»Du willst dich nur wichtig machen!«
»Du bist verrückt!«
Lili atmete tief durch und verließ ihr Versteck. Ehe sie sichs versah, war sie von einer Schar Mädchen umringt, die alle gleichzeitig auf sie einplapperten. Nur Isobel stand abseits, hatte die Hände vor der Brust verschränkt und beobachtete das Ganze mit einem Blick, den Lili bei ihr noch nie zuvor beobachtet hatte.
»Ruhe!«, brüllte Lili, so laut sie konnte. Augenblicklich verstummten die Mädchen. Lili blickte ernst in die Runde. »Nachdem Isobel das Geheimnis ausgeplaudert hat, muss ich wohl ein Geständnis ablegen. Ja, Isobels Vater hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will, und ich habe seinen Antrag angenommen. Isobel verlässt die Schule, und ich ziehe mit Vater und Tochter in die Highlands.«
»Schön, dass ich das als Letzte erfahre«, ertönte nun die Stimme der schwer beleidigten Direktorin.
Lili lief rot an. »Ich weiß es doch erst seit Kurzem! Sie selbst haben mich ins Besprechungszimmer gerufen.«
»Ja, aber nicht, damit Sie sich Heiratsanträge machen und sich schnöde abwerben lassen, sondern weil ich dachte, Sir Niall wolle mit Ihnen über seine Tochter sprechen. Doch nun sehen Sie zu, dass Sie diesen Hühnerhaufen bis zum Auftritt beruhigt haben.«
»Jawohl, Miss Macdonald«, flüsterte Lili mit belegter Stimme und rief die
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