Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
dann meldete sie sich altklug zu Wort. »Mom, kein Wunder, dass wir sie hier treffen! Miss Campbell wird doch Isobels Vater heiraten.«
»Heiraten?« Das klang wie ein spitzer Schrei. Diese Nachricht schien die Dame zu erschüttern, doch dann riss sie sich zusammen. »Da kann man ja gratulieren.« Steif streckte Lady Ainsley erst Lili, dann Niall die Hand entgegen.
»Sie hätten es spätestens an Hogmanay erfahren, Lady Ainsley, denn zum Fest geben wir unsere Verlobung offiziell bekannt«, bemerkte Niall beinahe entschuldigend.
Lili fiel wieder ein, was sein Bruder Craig vor ihrer Zimmertür lautstark zum Besten gegeben hatte: dass er lieber Lady Ainsley an Lilis Stelle gesehen hätte. Sie wohl auch, durchfuhr es Lili, als sie bemerkte, wie die Dame Niall anschmachtete und ihr einen vernichtenden Seitenblick zuwarf.
»Gut, lieber Niall, wir sehen uns zum Fest. Ich freue mich«, flötete Lady Ainsley und setzte ihren Weg fort, ohne Lili noch eines Blickes zu würdigen. Murron folgte ihr zögernd.
»Die wohlhabende Witwe hat sich Hoffnungen gemacht, nicht wahr?«, raunte Lili, nachdem sie ein Stück des Weges schweigend zurückgelegt hatten.
»Vielleicht, aber sie kam für mich nicht infrage, denn schließlich möchte ich noch …« Er stockte, aber Lili ahnte, was er hatte sagen wollen. Lady Ainsley schien ihm zu alt, um ihm noch den ersehnten Erben zu schenken.
Lili aber schluckte ihren Unmut über diese Begegnung hinunter und hakte sich erneut bei ihrem Verlobten ein. Er ist sehr attraktiv, dachte sie nicht ohne Stolz.
»Sieh dort oben, das ist unser Schloss! Es wurde im Jahr achtzehnhundertfünfunddreißig auf den Ruinen der alten Burg errichtet, auf der im zwölften Jahrhundert Macbeth geherrscht haben soll, allerdings nicht so blutrünstig, wie Shakespeare es ihm andichtete. Es diente bis Anfang dieses Jahrhunderts als Gefängnis …«
Lili aber hörte nicht mehr, was Niall ihr noch über das Schloss erzählte. Es zog sich in ihr alles zusammen bei dem Gedanken, dass ihr Vater hinter jenen dicken Mauern dort oben seine Strafe verbüßt hatte und schließlich dort gestorben war.
»Komm, wir spazieren den Berg hinauf. Von da haben wir einen herrlichen Blick über die Stadt.«
»Nein, Niall, lieber nicht. Ich … ich bin noch so müde von der letzten Nacht. Ich hatte schlimme Albträume und bin erschöpft.«
»Ganz, wie du willst, mein Liebling, dann holen wir es ein anderes Mal nach. Wir werden noch oft Gelegenheit dazu haben.«
Lili wagte einen weiteren flüchtigen Blick nach oben. Ihr wurde ganz elend zumute bei der Vorstellung, überhaupt jemals mit Niall zur Burg hinaufsteigen zu müssen. Die Existenz dieses finsteren Gemäuers hätte sie am liebsten vollständig aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Dabei lag die Burg wie gemalt auf einem Hügel, und in der Wintersonne, die sich in den Fenstern spiegelte, wirkte sie alles andere als düster.
»Ist dir nicht gut?«, fragte Niall besorgt.
»Doch, doch … es ist nur die Erschöpfung.«
»Dann kehren wir am besten auf schnellstem Weg nach Hause zurück, obwohl ich mit dir gern noch einen Abstecher zu Graham’s Tartan House gemacht hätte. Das ist das erste Bekleidungsgeschäft am Platz, wo wir alles bekommen, was wir brauchen. Vom Kiltmesser bis zum Beutel, von den Schuhen bis zur Mütze. Und man hat dort immer einen Vorrat an Stoffen mit unserem Muster. Aber wenn dir nicht gut ist, bringe ich dich zurück …«
Lili spürte, dass ihm viel an ihrer Begleitung lag. Also nahm sie sich zusammen. »Nein, zeig mir die Stadt!«, rief sie aus. »Ich bummle gern noch ein wenig.«
Sie bogen unterhalb der Burg nach rechts zur Innenstadt ab. Hier gab es zahlreiche Geschäfte, und es herrschte städtischer Trubel. Die Stadt war zwar nicht zu vergleichen mit Edinburgh, aber Lili hatte sich alles viel kleiner und ländlicher vorgestellt. Einige Geschäfte waren sogar weihnachtlich geschmückt, und das, obwohl dieser Tag nicht als offizieller Feiertag galt. Viele Menschen waren mit Geschenkpaketen unterwegs.
»Schenkt man sich in deiner Familie etwas zu Weihnachten?«, wollte Lili beim Anblick der hell beleuchteten Geschäfte wissen.
»Wenn es nach Mutter ginge, mit großer Freude. Sie stammt aus einer katholischen Familie, ist aber zu Vaters Glauben konvertiert. Unser deutsches Dienstmädchen hat sie überredet, wenigstens einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Zur großen Empörung von Craig und Shona. An ihnen sind die allerstrengsten Presbyterianer
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