Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
triumphierend mit dem Buch in der Hand zum Bett zurück.
»Ist das ein Tagebuch?«, wollte sie wissen. »Das möchte ich haben.« Ihre Wangen röteten sich vor Aufregung.
Isobels Begeisterung brachte Lili in große Verlegenheit. Sie konnte ihr das Büchlein auf keinen Fall überlassen. Es wäre doch zu schade, wenn so eine Lappalie Nialls neu gewonnenes Vertrauen zu ihr, Lili, gleich wieder zerstört hätte. Andererseits konnte sie dem Mädchen schlecht verständlich machen, warum sie es nicht bekommen sollte.
»Ach, es ist doch nichts Besonderes. Leg es zurück!«, versuchte Lili Isobel halbherzig zu überreden.
»Aber genau so eins wünsche ich mir schon lange. Weißt du, bisher habe ich immer nur in ein Schulheft geschrieben, aber so ein schönes rotes Buch ist doch viel, viel schöner.« Isobel strich mit den Fingerspitzen zärtlich über den weichen Samt.
»Du schreibst Tagebuch?«, fragte Lili erstaunt.
»Ja, schon lange. Seit ich schreiben kann, und Mom hat es mir beigebracht, als ich noch gar nicht zur Schule gegangen bin. Sie hat gesagt, es ist ganz wichtig für mich, dass ich mich gut ausdrücken kann. In Wort und Schrift, sagte sie immer.«
»Und wo hast du deine Hefte?«
Isobel lächelte geheimnisvoll. »Ich habe sie versteckt, denn Daddy mag es nicht, wenn jemand Tagebuch schreibt.«
»Hat er dich denn schon dabei erwischt?«
»Nein, mich nicht …« Sie stockte, und Lili bereute auf der Stelle, dass sie Isobel mit diesen neugierigen Fragen überfallen hatte. Das war zuvor bei Niall schon gründlich danebengegangen. Doch während sie sich noch mit Selbstzweifeln quälte, hörte sie Isobel zögernd weitersprechen. »Ich habe es einmal mit angesehen, aber er weiß es nicht. Sie haben mich beide nicht entdeckt. Mom saß an ihrem Schreibtisch in Scatwell Castle und schrieb in ihr Tagebuch. Das war ein Buch mit einem braunen Ledereinband. Daddy hat sie angebrüllt, sie soll sofort das dumme Buch aus den Händen legen und den ganzen Mist nicht auch noch zu Papier bringen. Wer weiß, in welche Hände das Buch fallen kann …«
»Das hat er wirklich gesagt?«, unterbrach Lili Isobels Redefluss erschrocken.
Isobel nickte. »Mom hat nur geweint und geschluchzt, aber es sei doch die verdammte Wahrheit. Er könne ihr doch nicht verbieten, sie aufzuzeichnen. Isobel hat ein Recht darauf, es zu erfahren, hat sie gesagt …«
Die Stimme des Mädchens wurde brüchig. Sie kämpfte offenbar mit den Tränen, doch Lili saß wie erstarrt auf dem Bettrand und rührte sich nicht. Die Angst, Isobel werde nicht weiterreden, lähmte sie.
»Da hat Daddy das Tagebuch genommen und mit voller Wucht in eine Ecke gefeuert. ›Wenn ich dieses Ding noch einmal sehe, dann werfe ich es in den Kamin! Zur Hölle mit dem Geschreibsel!‹, hat er geschrien.«
Lili nahm Isobel in die Arme und konnte kaum verbergen, dass sie selbst am ganzen Körper zitterte. Sie hatte genug gehört. Mehr ertrug sie nicht, ohne dass sie Niall dafür verabscheut hätte, was er seiner Frau angetan hatte. Zum ersten Mal empfand sie Mitgefühl für Caitlin.
»Ach, meine Kleine, das hat er bestimmt nicht so gemeint«, wiegelte sie ab und versuchte, den Worten des Kindes die Schärfe zu nehmen.
»Doch, ich habe Mom nie wieder Tagebuch schreiben sehen, aber sie ist ja auch ein paar Tage später nach Inverness in dieses Zimmer gezogen.«
»Und du, wo warst du?«
»Sie wollte mich unbedingt mitnehmen, aber Daddy und Großmutter haben es nicht erlaubt …«
Lili biss sich auf die Lippen. Das war grausam. Sie hatten Caitlin die Tochter genommen. Warum? Was hatte sie bloß verbrochen? Hatte sie tatsächlich ein Verhältnis mit Dusten gehabt? Sosehr sich Lili auch dagegen sträubte, es schien ihr die einzig plausible Erklärung zu sein. Warum sollte ein Mann wie Niall sonst so unbarmherzig sein? Ja, er war manchmal aufbrausend und herrisch, aber derart gnadenlos? Nein!
Isobel aber blickte in die Ferne, als ob alles noch einmal an ihr vorüberzöge.
»Ich habe mich an sie geklammert, Mom hat Daddy angefleht, dass er sie in Scatwell wohnen lässt, aber er hat sie fortgeschickt.«
Lili hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, aber sie riss sich mit letzter Kraft zusammen. »Das hast du sicherlich falsch verstanden«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Warum sollte dein Daddy deine Mom wegschicken? Er hat sie doch sehr lieb gehabt.«
»Doch, ja, aber er hat noch gesagt, es ist besser, bis er eine Entscheidung getroffen hat. Ich weiß es genau. Ich
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