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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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brummt er. Daß der Affe den Menschen anzugreifen wage, wollte mir trotz aller Versicherungen der Landeseinwohner nie in den Kopf, und ich war sehr erstaunt, als die ganze Truppe im Sturmschritt in dichter Kolonne sich ganz gerade gegen uns in Bewegung setzte. Von der Gefahr noch nicht überzeugt, wollte ich nicht unnütz mein Blei verschwenden, und vor dem Affenschießen hat es mir immer gegraut. Doch war die Kolonne im Halbmond schon sechzig Schritte uns nahe gerückt, und die Gefahr war augenscheinlich. Ich legte meinen Stutzen an und schoß, und von den Bergen antwortete ein hundertfaches Echo. Die erschreckte Kolonne machte linksum kehrt und verschwand vor unseren Blicken. Nur der Affe, den ich getroffen hatte, blieb liegen. Ich überließ ihm das Schlachtfeld und lief |123| schnell zu unserem Lagerplatz zurück; denn es behagte mir kaum, mit den Affen einen ruhmlosen, aber gefahrvollen Kampf zu wiederholen. Hundert Hasen töten den Hund, sagt das Sprichwort.
    Ich habe seither viel nachgefragt, und man hat mir mehrere Beispiele von Leuten angeführt, die von Affen gefährlich verwundet und nur mit Mühe gerettet worden sind. Ich kenne einen Mann, der infolge von Affenbissen ganz lahm ist. Die Affen umringten ihn, warfen ihn zu Boden und wollten ihm die Gedärme herausreißen, als herbeieilende Leute sie verscheuchten. Der Affenstaat bei Keren hingegen hat sich an den Menschen gewöhnt und tut ihm nie etwas zuleide, während die Affen der Wildnis, die ihn selten zu Gesicht bekommen, ihn natürlich als Feind betrachten.
    Der Affe dieses Landes ist zwei bis vier Fuß hoch, das Weibchen etwas kleiner. Das Männchen hat den Hintern nackt und ist oberhalb der Hüfte grau bepelzt, während das Weibchen den ganzen Leib mit braunem Pelz bedeckt hat. Der Hauptfeind der Affen ist der Leopard, der auch in den Felsen wohnt und sich dann und wann die Freiheit nimmt, sein Frühstück in der Affenkolonie zu holen. Die Affen stoßen bei seinem Annähern ihr Gebrumme aus und wehren sich recht gut, wenn sie angegriffen werden. Meinem Hund hat ein Affe ein handgroßes Stück Haut und Fleisch herausgebissen, ganz glatt, wie mit einem Rasiermesser.
    |124| Nach dem Frühstück stieß ein Bekannter aus Keren zu uns und überbrachte mir Nachrichten, die mir schleunige Rückkehr anbefahlen. Nur mit schwerem Herzen trennte ich mich von dieser Wildnis und vergaß nicht, uns ein baldiges Wiedersehen zu wünschen.

|125| 22
    Mai 1856, zweitausend Kilometer westlich von Keren. Auf einem prächtigen Schimmel reitet ein mondgesichtiger junger Mann mit hochgeschlossenem weißem Hemd und schwarzem Schlips in der flimmernden Hitze durch die sudanesische Wüste. Immer weiter entfernt er sich von den grünen Ufern des Tschad-Sees, von wo er vor einem Monat aufgebrochen ist mit einem einzigen, großen Gedanken hinter der runden Stirn: die Quelle des Nils zu entdecken, die schon die alten Griechen suchten, und das sagenhafte Mondgebirge sehen, von dem Europa seit tausendfünfhundert Jahren träumt. Dann wird er nach Deutschland zurückkehren, den Ehrendoktor als Afrikaforscher in Empfang nehmen und spätestens in zehn Jahren in den verdienten Ruhestand treten. Mit Afrika kann Doktor Eduard Vogel wenig anfangen: Die Hitze ist entsetzlich, die Mücken treiben ihn zum Wahnsinn, das Essen spottet jeder Beschreibung, und dann können die Sudanesen nicht einmal Deutsch oder wenigstens Englisch. Doktor Vogel ist einsam. Seine einzige Freude ist sein Schimmel, um den ihn alle beneiden.
    Es wird Abend. Eduard Vogel trifft in Borku im Königreich Wadai ein. Er bahnt sich einen Weg durch die dichte Schar nackter Kinder, die aus tausend Strohhütten herbeiströmen. ›Was die Gören bloß haben?‹ denkt Doktor Vogel, die mädchenhaft großen Augen |126| verlegen niedergeschlagen. Er schaut hinunter in die lachenden Kindergesichter, hört ihr unverständliches Geschrei, und das Leuchten ihrer Augen tut ihm irgendwie in der Seele weh. Immer näher umzingeln die Kleinen den Schimmel, der unruhig die Ohren aufstellt; schon greifen die Mutigsten mit spitzen Fingern ins weiße Fell, zwei übermütige Ärmchen umfassen Doktor Vogels rechten Lederstiefel   – da macht er sich unwillkürlich frei mit einem heftigen Fußtritt und trifft mit der Stiefelspitze eine weiche Mädchennase, die sofort zu bluten anfängt. Doktor Vogel ist peinlich berührt; das hat er nicht gewollt. Das Mädchen rennt weg, die anderen Kinder lachen und rücken noch näher. An ein Weiterkommen

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