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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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nicht?«
    »Erst, wenn der Teller leer ist.«
    »Wenn das so ist . . .«
    Es fliegen noch mehr Jasskarten, ein Stuhl fällt um, zwei Stiefel stampfen zum Ausgang, die Tür fällt ins Schloß.
    Ich bestellte noch ein Bier und wollte zu meiner Lektüre zurückkehren, als Werni mir zurief: »He, Turteltäubchen, hast du Lust auf ein Spiel? Wir brauchen einen vierten Mann.«
    »Bist du fertig mit Fressen?«
    »Jawohl, ich bin fertig. Aber jetzt fang ich an zu saufen.« Die übriggebliebenen Jasser lachten. Da flog die Tür auf, und Willy kam wieder hereingestiefelt. Mit lang ausgestrecktem Arm deutete er auf Werni und schrie: »Nie mehr jasse ich mit dir, du Arschloch!«
    »Fein! Das ist nett.«
    Willy kehrte zurück an seinen Stammplatz. Wahrscheinlich freute er sich, daß der Stuhl noch die Wärme seines Hinterns abstrahlte. »Im Scheißhaus ersäufen sollte man dich! Fressen und jassen gleichzeitig   – ersäufen sollte man dich!«
    Dann ging das Gelächter aufs neue los. Willy raffte die Karten zusammen und teilte hastig neu aus, um die verlorene Zeit wettzumachen. Ich faßte mir ein Herz |131| und machte mich auf zur Telefonzelle. Unterwegs kramte ich in meinen Taschen nach Kleingeld. Ich fand ziemlich viel.
     
    »Hotel Carlton, Cairo, good evening?«
    »Guten Abend, ich würde gern Miss Polja sprechen.«
    »Einen Moment   – Sind Sie noch da? Miss Polja ist nicht auf dem Zimmer.«
    »Versuchen Sie es bitte auf der Dachterrasse.«
    Es knackte und summte, dann war die Leitung wieder klar.
    »Hallo?«
    »Polja? Hier spricht Max. Max Mohn.«
    »Wo bist du?«
    »Hör zu, ich muß dir etwas sagen . . . die Aussicht von der Terrasse ist wunderbar, nicht?«
    »Wo zum Teufel steckst du?«
    »Im Ochsen. Tut mir leid.«
    »Was?«
    »Eben angekommen.«
    »Ehrlich? Du blöder Hund.«
    »Tut mir leid.«
    »Yep.«
    »Was hast du gebucht, den PREIS-SCHOCKER?«
    »Drei Tage, fünfhundertfünfundachtzig Franken.«
    »Dann haben wir uns wirklich knapp verpaßt. Ich bin mit der Maschine zurückgeflogen, die dich hergebracht hat. Tut mir leid.«
    Ein paar Sekunden war es still in der Leitung. Dann lachte Polja. Es begann als ein tiefes Brummen, stieg perlend höher, hoch und immer höher, über den Telefonhörer |132| hinaus ins Weltall, wurde dort von einem Satelliten eingefangen und wieder hinuntergeschickt in die Sprechkabine des Restaurant ›Ochsen‹. Ich lauschte diesem Lachen, bis ich merkte, daß ich auch lachte. Dann waren wir still. Einen langen Augenblick hörte man nichts in der Leitung als das Rauschen der Sonnenwinde.
    »Ich hätte doch nie im Leben gedacht, daß du tatsächlich . . . «
    »Dein Brief war ziemlich gut, Max.«
    »Tut mir leid.«
    »Den Blauen Nil hinauf und hinein ins Mondgebirge. Hier geht gleich der Mond unter. Bei dir auch?«
    »Hier schneit’s.«
    »Ich glaube, ich kann im Gegenlicht die Pyramiden sehen.«
    »Schön. Gestern war der Smog zu dicht.«
    »Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, ich sehe sie. Neben mir sitzen zwei Saudis und machen mir schöne Augen.«
    »Und sehen aus wie Laurel und Hardy?«
    »Der eine raucht Zigaretten Marke Sport, der andere hat dauernd sein Handy am Ohr.«
    »Die kenne ich. Die haben auch mir schöne Augen gemacht. Grüß sie von mir.«
    »Mach ich.«
    »Wann kommst du nach Hause?«
    »Übermorgen 19   Uhr 48, Terminal B.«
    »Mir geht gleich das Kleingeld aus.«
    »Gute Nacht, Max.«
    »Gute Nacht.«
    |133| Ich wartete darauf, daß Polja auflegte, und lauschte den lauter werdenden Sonnenwinden. Nach ein paar Sekunden kam das Freizeichen. Ich hängte ein, ging zurück an meinen Platz, bestellte ein Bier und beugte mich über meinen Papierstoß.

|134| 24
    Keren, im Juli 1858.   Zwei Jahre sind vergangen seit Werner Munzingers Hochzeit, und er ist nicht wiederzuerkennen: Aus dem Jüngling ist ein Mann geworden. Auf dem schönsten Maultier im Ort reitet er heim von seinen Weiden und Äckern. Er ist zufrieden mit seinen Bauern   – die Rinder sind fett und vermehren sich, die Äcker versprechen eine prächtige Ernte. Bald wird die Landwirtschaft mehr abwerfen als der Handel; das Honorar für seine völkerkundlichen und geographischen Artikel hätte Werner längst nicht mehr nötig. Quer durchs Dorf den Hügel hoch führt ihn sein Weg, wo inmitten von Strohhütten leuchtend weiß getüncht sein Steinhaus steht. Die Männer auf der Straße grüßen respektvoll, die Frauen tuscheln unter der Haustür.
    Da erhebt sich plötzlich von überall her fürchterliches

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