Murder in the night - Mord bei Nacht
dieser niedliche kleine Bahnhof vor Windermere?”
“Kendal?”
“Ja. Ich habe die Leute auf dem Bahnsteig fotografiert, da war ein streitendes junges Paar.” Sarah betrachtete das Bild genauer. Normalerweise hatte sie ein gutes Gespür für Gesichter, das gehörte zum Beruf. “Hm – ich dachte schon, die Ähnlichkeit mit Emma würde nur in meiner überreizten Fantasie existieren.”
“Nein, Sarah, ich meine nicht, sie sieht aus wie Emma, das ist Emma. Ich kenne diesen Pullover.”
“Ernsthaft?” Sarah runzelte die Stirn. “Das ist ja ein Zufall. Ich dachte, ihr wärt an dem Tag alle unabkömmlich gewesen wegen des Feuers. Hat Emma vielleicht Besuch zum Bahnhof gebracht?”
“Wir hatten keinen Besuch. Aber andererseits hätte in der Aufregung sicher niemand ihre Abwesenheit bemerkt. Das ist wirklich komisch.”
“Vielleicht dachte sie, ich komme in Kendal an”, schlug Sarah vor, doch ihre Schwester schüttelte den Kopf.
“Ich bin mir sicher, dass ich nur mit Liz darüber gesprochen habe, wann und wo du ankommst. Sie hatte vermutlich nicht die geringste Ahnung, dass du in diesem Zug sitzt.”
“Dann liegt die Antwort wohl bei ihrem mysteriösen Begleiter.”
“Du meinst, sie hat einen heimlichen Liebhaber?”
Sarah hätte fast über Carolines fassungsloses Gesicht gelacht.
“Eigentlich meinte ich etwas anderes.”
“Wieso, traust du ihr das nicht zu? Ich meine, ein fremder junger Mann, den sie vor uns allen verschweigt, wonach sieht das für dich aus? Thomas behandelt sie schlecht. Vielleicht ist sie endlich zu dem Schluss gekommen, dass sie sich das nicht länger bieten lassen will.”
“Schau dir mal sein Gesicht an.”
Caro zuckte die Achseln. “Er ist ein bisschen jung für sie.”
“Das meine ich nicht. Sieh dir die Gesichtsform an. Dieselben Wangenknochen, dasselbe Kinn. Da ist eindeutig eine Familienähnlichkeit. Vielleicht Emmas Bruder?” Sarah betrachtete das Bild eingehender. Die Haare waren dunkler und lockiger als die von Emma, was das Gesicht des jungen Mannes weniger farblos wirken ließ. Trotzdem war die Ähnlichkeit da.
“Könnte das nicht Zufall sein?”, fragte Caroline zögernd. “Ich glaube nicht, dass Emma noch lebende Verwandte hat. Sie redet so gut wie nie über ihre Familie; ich glaube, ihre Kindheit war kein Zuckerschlecken.”
“Sie hat sich für sie geschämt”, sagte Sarah leise. Das Gespräch auf dem Weg zur Weide fiel ihr wieder ein. “Sie hat es mir erzählt, aber ich hatte keine Ahnung, dass es von Bedeutung sein könnte. Sie hat mich gefragt, ob ich von meiner Familie enttäuscht sei, und darauf gedrängt, dass ich dich nicht im Stich lassen dürfe.”
Caro schüttelte zweifelnd den Kopf. “Du denkst, sie hatte Besuch von ihrem Bruder und hat hier niemandem etwas davon gesagt? Das ist wirklich seltsam.”
“Vielleicht war das der Grund für den Streit auf dem Bahnhof”, mutmaßte Sarah und betrachtete das Foto mit zusammengekniffenen Augen. Der Mann trug speckige Jeans und eine abgewetzte Lederjacke. “Er sieht nicht gerade wohlhabend aus, eher ein bisschen abgerissen.”
Caro schüttelte ungläubig den Kopf. “Sarah, lass uns mit Emma reden, wenn sie zurück ist.”
“Wo ist sie hin?”, wollte Sarah wissen.
“Nach Keswick, Futtermittel kaufen. Sie müsste jeden Moment wiederkommen.”
Sie tranken Kaffee in der Küche, als Julia hereinstürzte. “Caroline, are you in there?”
Erhitzt vom Laufen, rang Julia heftig nach Atem. “Come quickly or he’ll hurt her!”, stieß sie hervor.
“Who?”
“Thomas! He → ’s hitting Emma. You’ve got to help! I called for Liz but I can’t find her.”
Caro warf Sarah einen raschen Blick zu. “Emma is back? Where are they?”
“In the barn! Come on!”
Emmas hysterische Schreie waren über den ganzen Hof zu hören. Entsetzt starrte Sarah auf das Bild, das sich ihnen in der Scheune bot.
Emma kauerte mit wirrem Haar neben der Leiter, die hinauf zum Heuboden führte. Ihr linkes Auge war völlig zugeschwollen, ansonsten schien sie jedoch unverletzt. Sie schrie offenbar aus Sorge um einen jungen Mann, den Thomas unerbittlich festhielt. Er war größer als Thomas, aber wesentlich schmächtiger.
“Hey”, protestierte der Mann, “you’ve got the wrong idea!”
“I’ll teach you – sleeping with my wife”, keuchte Thomas. Sein Gesicht war rot angelaufen bis hinauf zu dem schütteren Haaransatz.
“Thomas, what are you talking about? It’s not true! Let him go!”, schrie
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