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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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gesehen«, sagte Frank, während
wir den Hügel hinauf zurück zu seiner Wohnung gingen. »Ist ziemlich oft in den
Nachrichten.«
    »Hat einer
was über meine anderen Sachen gesagt?«, fragte ich traurig, während ich den
jetzt eindeutig leichteren Koffer schüttelte.
    »Nein.«
    »Ich frage
mich, wo sie sind.«
    »Weiß
nicht«, sagte Frank gleichmütig. »Weg.«
    Es fing
wieder an zu regnen.
    »Ich nehme
nicht an, dass es irgendeinen Sinn hat, die Polizei zu informieren...«
    »Die kommt
hier schon lange nicht mehr hin, Charlie.«
    »Oh.« Die
Verbände sogen sich voll Wasser. Mein Kopf wurde kalt und fühlte sich an wie
eingeschnürt.
    »Nun ja«,
sagte ich nachdenklich - darauf bedacht, die Contenance zu wahren, solange
Frank bei mir war. »Wahrscheinlich hat der obdachlose Bursche das Geld
wesentlich nötiger als ich.«
    »Schätze,
der ist jetzt unterwegs und besorgt sich Stoff.«
    »Ja,
richtig.«
    »Er ist
kein schlechter Kerl oder so, man darf ihm halt nicht sein Zeug dalassen, damit
er drauf aufpassen soll.«
    »Richtig.«
Wir bogen wieder in seine Straße ein. Die mondgesichtigen Kinder standen immer
noch da, wo sie vorher gestanden hatten. Frank schloss die Haustür auf, und
ich schaute reumütig den Karton und die schmuddelige Decke an. An den
Türpfosten hatte jemand in kleinen schwarzen Buchstaben das verwegene Graffiti arm the homeless geschrieben.
    »Home
sweet home«, sagte Frank und ging hinein.
    Etwas traf
mich am Hinterkopf. Ich drehte mich um und sah einen grauen Kieselstein auf dem
Gehweg liegen. Die mondgesichtigen Kinder grinsten höhnisch herüber. Ich folgte
Frank ins Haus.
    Und so zog
ich in Apt. C, Sands Villas, Bonetown, ein.
     
    Der erste
Anlaufpunkt nach meinem Auszug aus Amaurot in jener Nacht war das Radisson in
Mount Merrion gewesen, wo ich mir eine Suite nahm. Das Hotel verfügte über
Sauna und Pool und bereitete eine exzellente Seezunge, allesamt Umstände, die
mir in jenen ersten traumatischen Tagen in der Fremde einen gewissen Trost
boten. Ich fand heraus, dass ein alter Kumpel von mir, Boyd Snooks, zufällig ab
nächster Woche in seinem Haus ein Zimmer zu vermieten hatte. Ich rief ihn an,
und er versprach, es für mich freizuhalten. Boyd war ein fröhlicher,
unbekümmerter Bursche, der zu Schulzeiten dafür berühmt gewesen war, dass er
seine Augendeckel umstülpen konnte. Obwohl noch der Schatten des ungnädigen
Abschieds aus Amaurot auf mir lastete, überzeugte er mich davon, dass mich chez lui scharfe
Zeiten erwarteten. Das Erdgeschosss seines Hause würden sich drei junge
Stewardessen teilen, ebenfalls fröhlich und unbekümmert, die obendrein, so
Boyd, eine Schwäche für ein eigenartiges Spiel namens Strip Poker hätten.
    »Ich weiß
nicht«, sagte ich. »Mir ist einfach der Gedanke zuwider, dass ich Bel verlassen
soll...«
    »Stewardessen,
Charles«, sagte er mit heiserer Stimme. »Svenska Air. Weißt du, was das ist?
Das ist die staatliche schwedische Fluggesellschaft. Das sind Schwedinnen, Charles. Und sie spielen alle beschissen Poker, die besaufen sich und
dann vergessen sie die Regeln...«
    Kurz,
alles schien sich prächtig anzulassen, und ich fing schon an mich zu fragen, ob
ich die Härten eines Lebens in der realen Welt nicht falsch eingeschätzt hatte.
Trotzdem blieb ich die meiste Zeit des Tages auf meinem Zimmer, für den Fall,
dass Mutter anrief, um sich bei mir zu entschuldigen und mich, ihren einzigen
Sohn, anzuflehen, doch diesen ganzen Unsinn über die Arbeit zu vergessen und
nach Hause zurückzukommen. Aber sie rief nicht an, und am Ende der Woche
fieberte ich dem Umzug entgegen, nur um endlich aus diesem Hotel
herauszukommen. Trotz Pool und Seezunge war es tödlich langweilig; außerdem
machte ich mir ziemliche Sorgen wegen des Lochs, das der Aufenthalt in mein
Budget reißen musste. Ich hatte beim Einchecken nicht daran gedacht, nach dem
Preis der Suite zu fragen, aber ich nahm an, eine Menge, vor allem für jemanden,
dem man die wöchentlichen Zahlungen gestrichen hatte. Ich hatte schon ziemlich
lange keinen Blick mehr auf meinen Kontostand geworfen, aber jedes Mal, wenn
ich daran dachte, spürte ich ein komisches kaltes Kribbeln, als ob jemand über
mein Grab ginge.
    Ich sollte
auch noch erwähnen, dass es, nachdem ich eines Abends in der Bar ein kleines
Mädchen erschreckt hatte, zu einem kleineren unerfreulichen Zwischenfall mit
einigen anderen Gästen gekommen war, sodass ich allmählich den Eindruck gewann,
dass ich nicht länger willkommen

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