Murray, Paul
aus dem Innern einer schwankenden Masse
Gerumpel und Schrott.
»Nur
Milch, bitte«, erwiderte ich matt. Es hing ein alles erschlagender Geruch in
der Luft, eine ins Monströse verstärkte Version des Geruchs, den Frank mit sich
herumtrug. Eine Zeitschrift namens Tittenparade lag auf
dem Couchtisch. Die junge Dame auf dem Titel war vollkommen nackt, bis auf zwei
sorgsam platzierte Zitrusfrüchte. Südfrucht-Suzys saftige Melonen stand
darunter.
Frank
hielt zwei Tassen in der Hand, als er wieder auftauchte. »Hier«, sagte er,
reichte mir eine Tasse und setzte sich mir gegenüber auf ein grotesk
unförmiges Sofa. »Also«, sagte er und breitete die Arme aus wie Kublai Khan,
der Marco Polo in Xanadu willkommen heißt. »Was sagst du?«
»Nett«,
krächzte ich. »Sehr nett.«
»Home
sweet home«, sagte er liebevoll und schlürfte seinen Tee.
»Allerdings...«, sagte ich. »Ja?«
»Tja,
etwas muss ich aber doch loswerden«, sagte ich in sorglosem, scherzhaftem
Tonfall, um anzudeuten, dass es nicht bös gemeint war. »Euer Portier macht
nicht gerade viel her.«
»Portier?«,
wiederholte Frank.
»Ja, der
Portier«, sagte ich und versuchte mein Lächeln durchzuhalten. »Nun ja, er
schien mir doch ziemlich nachlässig zu sein.«
»Das war
kein Portier, Charlie, der ist obdachlos.«
»Obdachlos?«
»Ja, der
wohnt in dem Pappkarton da unten vor der Treppe.«
»Oh«,
sagte ich mit dünner Stimme. »Ich hab mich schon gewundert, dass er keine
Mütze aufhatte.«
Eine kurze
Pause entstand. »Portier.« Frank kicherte in sich hinein.
Licht
kämpfte sich durch das eher knapp bemessene Fenster ins Innere, schwaches
graues Licht, eher die Restmoleküle von Licht. Nachdenklich schaute ich in
meinen mit irgendwelchen Bröckchen durchsetzten Tee. Nach einiger Zeit sagte
ich die wohl überlegten Worte: »Ich nehme an, das ist auch der Grund, warum er
so lange dafür braucht, meine Koffer nach oben zu tragen.«
Frank
stellte seine Tasse ab. »Oh, Charlie...«
»Du nimmst
wohl nicht an«, fügte ich vorsichtig hinzu, »dass er vielleicht vergessen hat,
in welche Wohnung...«
Aber da
war Frank schon aufgesprungen und sprintete die Treppe hinunter. Ich lief
hinter ihm her und traf ihn draußen vor der Haustür, wo er den Pappkarton und
die Decke betrachtete, die bis vor kurzem von einem Obdachlosen/Portier bewohnt
worden waren. »Scheiße«, sagte Frank und fuhr sich übers Kinn.
»Er ist
weg«, sagte ich unnötigerweise. Die Straße war leer, bis auf zwei
mondgesichtige Kinder, die uns von der gegenüberliegenden Straßenseite
beobachteten. Das eine stand in einem Einkaufswagen, das andere stand vor dem
Wagen und hielt ihn am Griff fest. Beide standen regungslos da.
»Komm
mit«, sagte Frank, stieß mich in die Rippen und marschierte die Straße
hinunter. Wir kamen zu einer Kreuzung, an der zwei riesige Mietshäuser aus
Schlackenstein aufragten. Wir bogen links ab und gingen an einem verlassenen,
von Unkraut überwucherten Grundstück vorbei, auf dem ein ausgebranntes Auto
neben dem anderen stand, und kamen schließlich zu einem länglichen Betonbunker
mit Metallrolläden. Ich trottete hinter Frank her, der vor der Eingangstür
stehen blieb.
»Was ist?
Ist er da drin?«
»Charlie«,
sagte er ernst. »Du darfst nie, niemals hier reingehen, alles paletti?«
»Gut«,
piepste ich. Er ging hinein, und ich wartete. Ich steckte die Hände in die
Taschen, flötete unmelodisch vor mich hin und versuchte mich der Umgebung
anzupassen. Es war schwer zu sagen, welche der Häuser bewohnt waren. Die
Ladenfronten waren mit schweren Gittern verrammelt. In manchen Blocks hing Wäsche
auf den Balkonen, aber die Haustüren waren mit Brettern vernagelt und mit
Graffiti übersät. Manche Häuser waren so baufällig, dass sie unbewohnbar für
Mensch wie Tier schienen. Doch dann hörte man aus einem der oberen Stockwerke
ein Radio dudeln, oder ein Kind steckte den Kopf aus dem Fenster und spuckte
auf den Gehweg.
Nach, wie
mir schien, langer Zeit kam Frank zurück. In einer Hand trug er einen einzelnen
Koffer, den die Gäste des Pubs freundlicherweise bereit gewesen waren, für
einen geringen Betrag zu verkaufen, nachdem er ihnen erzählt hatte, dass ich
fälschlicherweise einen drogensüchtigen Obdachlosen für einen Portier gehalten
hatte.
»Oh«,
sagte ich und fügte, um meine Verzweiflung zu kaschieren, an: »Das ist also
ein Pub?«
Der Laden
hieße Coachman; das Schild sei gestohlen worden.
»Hast du wahrscheinlich schon mal im Fernsehen
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