Murray, Paul
Gefühl, dass unsere Gutartigkeit ausgenutzt wurde.
Während einer besonders lauten Passage seines Radaus nahm ich Frank in der
Küche auf ein Wort beiseite.
»Was ist
los?«, brüllte er, während er sich ein Dosenbier aus dem Kühlschrank nahm und
ich mit den Fingern in den Ohren vor ihm stand.
»Ich hab
gesagt, dass man natürlich nicht ungastlich sein will«, bellte ich zurück.
»Aber hat er vor, irgendwann in nächster Zeit nach Hause zu gehen?«
»Keine
Ahnung, Charlie. Frag ihn doch.«
»Ich will
ihn nicht fragen...« Ich gab auf, es hatte keinen Sinn. Mit jedem Stampfen
hüpften die Tassen auf dem Abtropfbord ein Stückchen näher an den Rand heran.
Ein Bewegungsmuster, mit dem ich mich vollkommen identifizieren konnte.
»Pass auf,
die Sache mit Droyd ist die ... Auch 'n Bier?«
»Nein«,
sagte ich, aber er verstand mich nicht, riss eine Dose auf - Hobson's Choice,
das billigste Sonderangebot aus der Tankstelle - und reichte sie mir.
»Die Sache
mit Droyd ist die, dass er eigentlich gar keine Wohnung hat. Besser, er bleibt
ein paar Tage hier, bis er wieder einigermaßen normal drauf ist. Ich meine,
will ja keiner, dass er gleich wieder zu diesem Arsch Cousin Benny läuft,
oder?«
»Nein«,
sagte ich. »Idealerweise nicht.«
»Außerdem
... ist doch massig Platz für drei. Und ein bisschen Musik ist doch schön,
bringt Stimmung in die Bude, oder?«
Ich wollte
gerade eine sarkastische Bemerkung machen, als ich bemerkte, dass die Musik ein
Stück vom Putz gelöst hatte, sodass ich mich schnell in mein Zimmer zurückzog
und so tief ich konnte in mein fadenscheiniges Federbett verkroch.
In
gewisser Hinsicht bin ich Droyd sogar zu Dank verpflichtet. Wäre ich mir
selbst überlassen gewesen, hätte ich möglicherweise auf ewig in meinem
Post-Amaurot-Dämmerzustand verharrt. Dank ihm wurde die Situation fast sofort
unhaltbar.
Sich in
einem Raum mit ihm aufzuhalten, war schlicht nicht zu ertragen. Verglichen mit
ihm kam mir Frank wie Noel Coward vor. Das Cricketfreundschaftsspiel, das ich
mir anzuschauen versuchte, verdarb er mir gründlich, indem er an den
unpassendsten Stellen »Wassollndasjetzwiederheißen!« brüllte, und zwar auch
nachdem ich ihm ausführlich und exakt erklärt hatte, was der jeweilige Ausdruck
bedeutete. Er ließ sich auch nicht davon abbringen, die pakistanischen Spieler
als »Kanaken« und die englischen als »Schwuchteln« zu bezeichnen. Der Qualm
der Cannabiszigaretten, die er mehr oder weniger pausenlos rauchte, verpestete
die Luft und ließ mich immer wieder eindösen. Etwa alle fünf Minuten dröhnte
aus seinem Ghettoblaster - sozusagen aus dem blauen Dunst heraus - ein
gewaltiges Stampfen, das mich jedes Mal aus dem Sessel hob. Als ich ihn fragte,
ob er das Ding nicht ausschalten und vielleicht noch etwas lesen wolle, meinte
er, dass er sich »eher mit'm Hammer auf die Eier haut«. Ich weiß noch, dass ich
nach diesem Gedankenaustausch aufstand, die im Radisson geklaute Zeitung holte
und nachschaute, ob sich nicht eine andere Wohnung finden ließe.
Ich fand
mehrere Anzeigen, in denen Wohnungen zur Miete angeboten wurden. Ein halbes
Dutzend kreuzte ich an und notierte mir die Besichtigungstermine. Sie waren
alle ziemlich teuer, wie Droyd anmerkte, als er sah, was ich da tat.
»Heilige
Scheiße!«, rief er aus, als er mir über die Schulter schaute. »Wo willst du so
viel Kohle hernehmen?«
»Das ist
meine Sache«, sagte ich barsch und zog die Zeitung weg.
»Wenn man
heutzutage in dieser Scheißstadt leben will, muss man Millionär sein«, merkte
er tiefsinnig an.
»Ja, ja«,
brummte ich. Aber genau da lag der Hase im Pfeffer. Ich brauchte mir die
Kreditkartenabrechnung, die Mutter mir freundlicherweise nachgeschickt hatte,
erst gar nicht anzuschauen, um zu wissen, dass meine Zeiten als Millionär
lange vorbei waren. Aber so konnte ich einfach nicht weiterleben. Es sah ganz
so aus, als bliebe mir nichts anderes übrig, als mir noch mehr Geld von Frank
zu pumpen. Allerdings sagte er mir, als ich ihn an diesem Abend auf ein Wort
beseite nahm, dass er so viel Geld nicht habe.
»Was soll
das heißen?«, sagte ich. »Ich hab gedacht, das Geschäft brummt.«
»So nun
auch wieder nicht«, sagte er. »Ich muss Miete zahlen ... Und für euch Essen
und Trinken und...«
»Schon
gut, schon gut«, blaffte ich. Freute es ihn etwa, mich so am Boden zu sehen?
War es das? Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn.
»Warum
arbeitest du nicht was, Charlie? Kumpel von mir hat
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