Murray, Paul
Amaurot auch nur angerufen, nicht mal Mirela,
trotz der verheißungsvollen Unterhaltung im Ballsaal damals. Feuer
frei! hatte am selben Abend, als man mich des Radissons
verwiesen hatte, in einem kleinen Theater hinter dem Bahnhof an der Tara Street
eröffnet. In der Zeitung, die ich in der Hotellobby hatte mitgehen lassen,
hatte eine kurze Rezension gestanden, nicht rasend vor Begeisterung, aber doch
beifällig das »unerschrockene erste Auftreten« der Amaurot Players lobend. So
von allem abgeschnitten, wie ich war, hätte das auf einem anderen Stern
stattfinden können. So viel zu ihrer Dankbarkeit, dachte ich traurig. Jetzt war
ich nicht mehr der Gutsherr, jetzt war ich obdachlos, so wie sie es gewesen
war. Alles schien vergessen zu sein.
Was Bel anging,
so war ich ziemlich sicher, dass sie sich in ihre belle
epoque - reiner Zufall, das Wortspiel - gestürzt hatte, ohne auch
nur einen Gedanken an das Fegefeuer zu verschwenden, zu dem ihr mitfühlendes
Herz mich unabsichtlich verdammt hatte. Das hieß allerdings nicht, dass ich
nicht an sie dachte, dass ich mich nicht in jedem Augenblick fragte, was sie
wohl machte, während ich hier in dem ausgeweideten Sessel saß und Staubpartikel
zählte. Es hieß nicht, dass ich nicht jeden Abend von zu Hause träumte: Aus dem
Quietschen der Einkaufswagenrollen draußen vor dem Fenster wurde die rostige
Wetterfahne vom alten Thompson; aus dem leisen, weit entfernten Rauschen des
Verkehrs das Geräusch der Wellen am Strand von Killiney; aus der unendlich
trostlosen Urbanen Nacht ein Juliabend mit einer von Bel
und mir veranstalteten Gartenparty, mit Manhattans und Hummercremesuppe und
einem Sonnenuntergang, dessen Flamingorosa sich über den gesamten Himmel
ergoss - bis sie dann »Los, komm« flüsterte und wir uns Hand in Hand zwischen
den Bäumen hindurch davonstahlen bis zu der Stelle an den Klippen, wo Vater
immer hinaus aufs Meer geblickt und Gedichte rezitiert hatte, wo der Himmel
sich in ein ewig währendes blaues Zwielicht verwandelt zu haben schien und wir
aufs Meer schauten, das, vom Mond gefoppt, innehielt und dann weiterrollte, und
zum weit entfernten Ufer hin, wo die Lichter loderten wie winzige
Schiffswracks...
Eines
Nachts wurde ich von einem verheerenden Stampfen aus dem Schlaf gerissen. Der
Lärm hallte gleichzeitig durch Decke, Wände, Boden. Die ganze Wohnung vibrierte
mitleidlos, als hätten wir ein kleines, aber sehr klar lokalisierbares
Erdbeben.
Mein
erster Gedanke war, dass jemand versuchte, das Haus abzureißen. Das war schon
passiert, hatte Frank erzählt. Als die Stadtplaner aus einem Haus, das sie
abreißen wollten, einen Mieter nicht vertreiben konnten, rauschte mitten in
der Nacht zufällig-absichtlich ein Lastwagen in die Hauswand. Ich rieb mir die
Augen und zog den Morgenmantel an, um draußen Bescheid zu geben, dass sie das
falsche Haus erwischt hätten. Aber als ich das Wohnzimmer betrat, wurde mir
klar, dass der Lärm von genau da kam. Oben auf dem Fernseher stand ein
gigantischer Ghettoblaster, und daneben wackelte im Takt zu dem Lärm etwas mit
dem Kopf, das aussah wie ein riesiges glänzendes Frettchen, das gelernt hatte,
auf zwei Beinen zu gehen. Das war zumindest der Eindruck, den ich in dem
Bruchteil der Sekunde gewann, bevor sich das Frettchen auf mich stürzte. Dann
fand ich mich zu meiner grenzenlosen Überraschung auf dem Boden wieder und
wurde gewürgt.
Offenkundig
hatte dieser Kerl schon mal gewürgt. Meine Gegenwehr entschärfte er mit der
cleveren Taktik, mir beim Würgen den Kopf auf den Boden zu hämmern. Da er schon
in der ersten Minute gute Fortschritte machte, ist es nur fair anzumerken,
dass, wenn ich es nicht geschafft hätte, einen Schrei loszulassen, bevor seine
Hand meine Gurgel endgültig in den Griff bekam, die Sache auf der Stelle ein
unangenehmes Ende hätte nehmen können. Doch gerade, als mir schon schwarz vor
Augen wurde, tauchte auf seiner Schulter eine Hand auf und zog ihn weg, und
gleichzeitig hörte auch der Lärm abrupt auf. Nachdem ich mich eine Zeit lang
hustend auf dem Boden gewälzt und dann so weit berappelt hatte, dass ich mich
halbwegs auf den Sessel hieven konnte, sah ich Frank, der nicht etwa den
Angreifer zu blutigem Brei prügelte, sondern dessen Hand schüttelte und ihm auf
den Rücken klopfte.
»Alles
paletti, Droyd?«, sagte er. »Der Arsch immer schön im Trocknen?«
»Logo,
Mann, logo«, gluckste das Frettchen. Es war klein und trug einen zweiteiligen
Trainingsanzug mit seidig
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