Murray, Paul
vorenthalten habe, da wandte er seine Aufmerksamkeit
wieder seinem Teller zu und sagte: »Hey, Frankie, schon mal aufgefallen, dass
gekochte Nudeln sich genauso anhören, wie wenn du bei deiner Lady den
Stinkefinger machst?«
»Was?«,
sagte Frank.
»Ja, pass
auf.« Droyd nahm seine Gabel, drückte auf den Nudeln herum und produzierte
eine Serie von schlürfenden, schmatzenden und platschenden Geräuschen. »Na?
Hört sich doch genauso an, als wenn du deine Greifer in 'ner Muschi hättest,
oder?«
Ich
stellte meinen Teller ab und atmete tief ein. »Also...«, sagte ich flehentlich.
»Du hast
Recht«, sagte Frank. »Scheiße, Mann, das ist ja Wahnsinn.«
»Also ...
bitte, würdet ihr jetzt aufhören damit.«
Aber Frank
bearbeitete schon seine Nudeln, und die Luft war erfüllt von schlüpfrigen
Geräuschen. »Los, Charlie, probier's mal, ist echt irre.«
Ich konnte
es nicht mehr ertragen. Ich drückte mir mein Taschentuch vor den Mund und
stolperte in mein Zimmer, wobei ich heimlich das Telefon mitgehen ließ. Ich
kniete mich in der Dunkelheit auf den Boden, wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel
und wählte Boyds Nummer. Das Telefon schien eine Ewigkeit zu klingeln, bevor jemand
abhob. Und dann war alles, was vom anderen Ende der Leitung zu hören war, eine
Art leises krächzendes Stöhnen.
»Boyd?«,
flüsterte ich. »Bist du dran?«
»Charles.«
Es klang erbarmungswürdig.
Ich
erkannte seine Stimme nicht, sie glich kaum noch der eines menschlichen Wesens.
Eisiges Grauen durchschauerte meinen Körper. »Was ist los mit dir?«, fragte
ich. »Ist das etwa noch die Erkältung?«
»Nein,
keine Erkältung«, flüsterte er.
»Nicht?
Was um Himmels willen dann?«
»Lassafieber«,
sagte er trübselig.
»Lassafieber?«
»Scheint
so«, sagte er und unterbrach für einen ausgiebigen Hustenanfall.
»Aber das
ist doch absurd«, sagte ich verdrossen, nahm das Telefon und ging damit im
Zimmer herum. »Wie soll das gehen? Wie willst du dir Lassafieber eingefangen
haben?«
»Von den
Stewardessen«, sagte er bitter.
»Oh.« Ich
spürte, wie meine Knie nachgaben. Ich sank auf meiner Matratze zusammen.
»Verdammt.«
Eine von
den Stewardessen hätte es aus Afrika mitgebracht und das ganze Haus angesteckt.
Sie stünden alle unter Quarantäne, sagte Boyd. »Draußen vor der Tür hält sogar
ein Polizist Wache«, sagte er niedergeschlagen. »Für den Fall, dass wir ausbrechen
und mit den Ladeninhabern hier in der Gegend intim werden wollen. Außer den
Ärzten darf keiner rein.«
Ich sackte
an der Wand zusammen. Mich überkam das grässliche Gefühl der Ausweglosigkeit,
das mich schon im Hotel befallen hatte: Als wäre ich nicht Herr meines eigenen
Schicksals, als wäre irgendwer oder irgendwas darauf aus, mir eine Lektion zu
erteilen. Von nebenan drang obszönes Gelächter an mein Ohr.
»Tut mir
Leid, alter Junge«, murmelte Boyd.
Deprimiert
rieb ich mir das Kinn. Da war nichts zu machen, und Boyd hörte sich an, als
ginge es ihm mit jeder Minute schlechter. Ich sagte ihm, er solle sich wieder
ins Bett legen, bevor er aus den Latschen kippe.
»Ja«,
nuschelte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ist wohl besser, das Nashorn
kommt gleich wieder rein...«
»Genau,
also leg dich wieder hin.«
»Verdammte
Pest ... Pest, verdammte, Charles ... weckt mich dauernd auf ... will Strip
Poker spielen ...«
»Ja, ja,
schon gut. Also, sei ein braver Junge und...«
»Ich sag
noch ... wie kannst du denn Strip Poker spielen? ... Scheißnashorn, erstens
hast du keine Hände ... und zweitens ... hast du gar keine Klamotten. Geht doch
sonst gar nicht ... Ist ... ist doch die Voraussetzung.«
Ich blieb
für den Rest des Abends in meinem Zimmer. Droyd ging in dieser Nacht nicht nach
Hause, auch nicht am nächsten Morgen, und fast den ganzen folgenden Nachmittag
stand ich unter der Knute dessen, was er - offenkundig ohne Ironie - seine
»Musik« nannte. Manchmal klang es wie etwas Riesengroßes aus Metall, das eine
endlose Treppe hinunterkrachte - ein Panzer vielleicht oder ein gigantisches
Messersortiment. Manchmal klang es wie hunderttausend Nazis, die im
Stechschritt über die Place de la Republique marschierten. Die Grundidee schien
zu sein, das Geräusch einer kollabierenden Zivilisation einzufangen, und zwar
so laut, dass man nichts anderes tun konnte, als vibrierend auf seiner
Matratze zu liegen.
Obwohl man
natürlich nicht ungastlich sein wollte, hatte ich ab dem nächsten Tag, als er
immer noch da war, doch das
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