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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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glänzendem Finish, etwa von der Art, wie ihn die
Schauspieler in Feuer frei! getragen hatten. Um seinen Hals
hing eine schwere Goldkette, an den Fingern steckten klobige goldene Ringe, und
die Handrücken zierten plumpe blaue Tattoos, die aussahen, als habe er sie sich
selbst gestochen.
    »Ist
vielleicht jemand so freundlich, mir zu erklären, was hier los ist?«, keuchte
ich. »Wer ist der Kerl? Was, zum Teufel, denkt der sich dabei, hier einfach
mitten in der Nacht reinzuplatzen?«
    »Das ist
Droyd, Charlie«, sagte Frank, der sich wieder umwandte. »Genau, was machst du
eigentlich hier?«
    »Bin grade
rausgekommen«, sagte das Frettchen.
    »Wo
rausgekommen?«, bohrte ich nach.
    »Knast.
Hey, Frankie Boy, was ist das für 'ne Schwuchtel?«
    »Das ist
Charlie. Alles in Ordnung, Charlie?«
    Ich winkte
gleichmütig ab. Inzwischen lag ich wieder auf dem Boden und hyperventilierte.
    »Du
hättest ihn nicht so würgen sollen, er ist ein bisschen empfindlich.«
    »Scheiße,
war nicht meine Schuld«, sagte die andere Stimme oberhalb meines Kopfes. »Hab
nicht damit gerechnet, dass da auf einmal eine scheißägyptische Mumie
reinplatzt.«
    »Ha!«,
krächzte ich. »Sehr komisch. Und ich hab nicht damit gerechnet, dass da ein
völlig Fremder in unsere Wohnung einbricht und mich zu unchristlicher Stunde
aus dem Schlaf reißt...«
    »Überhaupt
nicht unchristlich, Charlie, ich hab noch nicht mal Abendessen gehabt.«
    »Komisch,
ich auch nicht«, hörte ich den frettchenartigen Kerl sagen, worauf Charlie ihn
natürlich einlud, mit uns zu Abend zu essen. Ich versuchte mich wieder in mein
Zimmer zu verdrücken, doch Frank hatte mich schon am Arm. »Komm, Charlie«,
sagte er. »Wir essen jetzt was zusammen, und alles ist wieder bestens, okay?«
Und so, nur eine halbe Stunde, nachdem man mich aus dem Bett gescheucht und
verprügelt hatte, saß ich mit den beiden am Tisch, fragte mich wie betäubt,
wie mein Leben nur eine solch schreckliche Wendung hatte nehmen können, und
hörte Frank den Eindringling fragen, wie es denn so gewesen sei, die ganze
Zeit, wo er »weg« war - als sei er nur mal eben auf Kneippkur in Karlsbad
gewesen.
    »War gar
nicht so übel«, sagte Droyd. »War wie immer, mal schlechter, mal besser. Kann
dir sagen, da drin läuft man echt Typen über den Weg. Wie bei dieser Szene in Lethal
Weapon, weißt schon, wo Riggs in der Zwangsjacke steckt und sich
selbst seine Scheißschulter auskugelt, damit er abhauen kann.«
    »Mann, das
war vielleicht eklig«, sagte Frank wohlig.
    »Da war
einer im Bau, der konnte das auch. Na ja, er konnte das Ding rausschnappen
lassen, hat's aber nicht wieder reingekriegt. Eigentlich hat er's auch nicht
selber rausschnappen lassen, sondern dieser andere Kerl hat's gemacht, der hat
Johnny No-Fingers geheißen, das war vielleicht einer...«
    Anscheinend
war Droyd eingesperrt worden, weil er den Handlanger für einen lokalen
Drogenhändler namens Cousin Benny gemacht hatte. Ich gestehe, dass ich die
Ohren spitzte, als er das sagte, da mich der Gedanke, selbst einen Handlanger
zu haben, schon immer fasziniert hatte. Dieser Cousin Benny lebte in einem
Wohnblock westlich von hier und war eigentlich niemandes Cousin. Den Namen
sollte ich während meines vorübergehenden Aufenthalts in Bonetown noch öfter
hören, immer ausgesprochen mit gesenkter Stimme und begleitet von einem
verstohlenen Blick über die Schulter. Sogar Frank schien etwas Angst vor ihm zu
haben.
    »Scheiße,
verdammte«, sagte er. »Wie bist du bloß an dieses Dreckschwein gekommen?«
    »War auf
Stoff«, sagte Droyd nüchtern. »Weißt ja, wie das läuft. Hatte nie genug Kohle.
Erst hab ich alte Ladys beklaut, als das nicht ausreichte, hab ich Autos
geknackt, und als das auch nicht mehr reichte, hab ich angefangen, für Benny zu
arbeiten. Eigentlich ganz logisch, wenn man drüber nachdenkt. Benny hat mir
Angestelltenrabatt gegeben.« Er kaute, schluckte und legte die Gabel zur
Seite. »Tja, am Anfang ist alles echt geil, da geht die Post ab«, sagte er
seufzend. »Aber am Ende ist alles im Arsch, echt im Arsch. Egal, für mich ist
das gegessen. Bin ein anderer Mensch jetzt, jawoll.«
    Er beugte
sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ die Fingerknöchel knacken.
Das außerirdische Flackern des Fernsehers spielte auf seinem knochigen
Gesicht. Für einen Augenblick tat er mir fast Leid, und ich wollte ihn schon
fragen, ob er das Heroin als Ersatz für das Selbstwertgefühl genommen habe, das
die Gesellschaft ihm

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