Murray, Paul
zwei Jahre Theologie mache und sie mich dann vielleicht zu Jura
überwechseln lassen.«
»Jura,
aha, verstehe. Und dann...«
»Dann ist
Vater gestorben.«
»Oh.«
Gemma schreckte ganz kurz zurück. »Das tut mir furchtbar Leid...«
»Ist schon
gut«, beruhigte ich sie. »Aber mit Jura war erst mal Schluss.«
»Ja«,
sagte Gemma und nickte ernst. »Stattdessen haben Sie dann...«
»Das
College verlassen, ja. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas Zeit zum Nachdenken
brauchte.«
»Okay,
gut, und dann...«
»Tja, das
führt uns dann eigentlich direkt bis zum heutigen Tag«, sagte ich.
»Oh«,
sagte Gemma. »Oh.« Sie senkte den Blick, als wollte sie die leeren Seiten des
Bewerbungsformulars noch mal ganz genau durchsehen. »Dann haben Sie also
seitdem ... äh ... gedacht?«
»Ach,
wissen Sie, ich hab mal dies gemacht, mal das, nichts Bestimmtes.« Ich nippte
gedankenvoll an meinem Mokkachino. »Komisch, wie die Zeit einfach so vergebt, stimmt's
nicht?«
»Ja, ja«,
sagte Gemma mit feierlicher Stimme, bildete mit den Fingern ein spitzes Dreieck
und drückte sich damit links und rechts gegen die Nase. »Um ehrlich zu sein,
Charles, ich frage mich, was das alles mit Ihrer Karriere auf dem Feld der
Informationstechnologie zu tun hat.«
»Mmm«,
sagte ich schlicht und strich mir übers Kinn.
»Vielleicht
erzählen Sie mir einfach, wo genau auf diesem Gebiet Ihre Interessen liegen?«
Ich
glaubte, in ihrem Tonfall den Hauch von irgendetwas bemerkt zu haben. Ich
konnte nicht sagen, was es war, aber ich bekam allmählich das undefinierbare
Gefühl, dass ich bei einem wichtigen Punkt Mist gebaut hatte. Plötzlich fiel
mir der Bankangestellte ein, der durch Vaters launische Kreditstruktur in seinem
Systemvertrauen nachhaltig erschüttert worden war. Eine ähnliche Reaktion bei
Gemma wollte ich vermeiden.
»Nun«,
sagte ich langsam. »Tatsache ist, dass die Informations- Technologie heutzutage unentbehrlich ist. Sie ist allgegenwärtig. Weil, ich meine,
jeder braucht Information, stimmt's, oder wie würden wir sonst was wissen?
Wohin man auch geht, überall ist... ist
Information.« Ich warf einen verstohlenen Blick auf Gemma. Sie kaute auf einem Kugelschreiber. War das ein gutes
oder ein schlechtes Zeichen? »Und mit der Technologie«, fuhr ich fort, »ist es
doch genau das Gleiche. Überall Technologie, sie macht alles schneller ...
und...« Einen Augenblick lang hakte es, aber dann hatte ich einen Geistesblitz.
»Und wenn man genau drüber nachdenkt, wie kämen wir überhaupt an
Informationen, wenn nicht durch Technologie? Andersrum genauso, wie könnten wir
mehr über Technologie erfahren als mit ... äh ... Informationen?«
»Gut«,
sagte Gemma undurchsichtig, als ich fertig war. »Gut.« Sie nahm das
Bewerbungsformular noch mal zur Hand. »Für meine Unterlagen, Charles, muss ich
noch etwas wissen. Also, wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Ihnen gern
eine Liste mit Computersprachen und Anwendungen vorlesen, und wenn Sie schon
mal mit einer von denen gearbeitet haben oder damit vertraut sind oder sie
Ihnen schon mal untergekommen ist, egal wie, dann antworten Sie einfach mit
>Ja<, okay?«
»Okay.«
»Quark«,
sagte sie. »Was?«, sagte ich.
»Word«,
sagte sie. Ich begriff, dass sie angefangen hatte, die Liste vorzulesen.
»Excel, Powerpoint...«
Es war
eine lange Liste, und gelegentlich hob sie den Kopf, um sich zu vergewissern,
dass ich noch da war. Während sie las, stieg mir die Schamesröte ins Gesicht.
So viele Sprachen, so viele Anwendungen! Wie war es nur möglich, dass ich
nicht mal einer mächtig war? Sie las und las - »vom ... Basic Basic ...
Advanced Basic Basic...«-, und ich konnte nichts als dasitzen und den bedeutungslosen
Worten lauschen wie dem Vortrag eines schauerlichen futuristischen Gedichts.
Schließlich
war es vorbei. Gemma schaute mich scharf an. Ich räusperte mich und rückte
unnötigerweise meine Krawatte zurecht. »Charles«, sagte sie. »Möglich, dass
ich vorschnell urteile, aber kann es sein, dass sich Ihre Multimediakenntnisse
etwa auf dem Level Ihrer IT-Kenntnisse bewegen?«
Ich nickte
einfältig und fragte mich, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, meinen
Power-Spirit zur Sprache zu bringen.
»Kurz
gesagt, Charles.« Gemma stand ziemlich abrupt auf und schaute hinaus in den
Gewürzgarten. »Ich tue Ihnen wohl nicht unrecht, wenn ich sage, dass Sie noch
nie für Ihren Lebensunterhalt gearbeitet haben. Ist das korrekt?«
»Nun ja,
nicht direkt«, gab ich zu. Mir
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