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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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das
Flanieren durch die Straßen, an die Leidenschaft unseres vergangenen Lebens
wieder da. »Die habe ich tatsächlich noch«, sagte ich. »Und du? Hattest du
nicht irgendwelche Meeresvögel? Seidenreiher, oder? Egretta
garzetta, stimmt's?«
    Hoyland
stand ein paar Sekunden regungslos da und schaute in die Ferne. »Egrets«, summte er
vor sich. »Egrets, l've had a few. But then again, too few to
mention...«
    Studenten
schauten geringschätzig zu uns herüber, als wir in brüllendes Gelächter
ausbrachen und unser geheimes Handschlagritual vollzogen. Dann merkte Hoyland
an, dass es Zeit zum Lunch sei, und da außer einem Nachmittag in meinem Slum
nichts weiter auf mich wartete, ließ ich mich zu einem Sandwich einladen.
    »Beschissene
neue Zeiten sind das«, sagte Hoyland mit dem Mund voller Krabbensalat und
schaute gallig auf das Gewusel der Buchhaltertypen, die in der langen,
prunkvollen Halle ihr Gourmet-Lunch verzehrten. Wir saßen in einem der neuen
Cafés, einem luftigen Raum mit Holzbalken an der Decke und Wänden, die mit
Postern aus den 19 2oern bepflastert waren. Ich hatte Hoyland
gerade gefragt, warum er einen so erbärmlichen Anzug trage.
    »Eigentlich
dürfte ich gar nicht hier sein«, sagte er. »Ich hatte mich schon aus dem
öffentlichen Leben zurückgezogen. War schon wieder zu Hause, auf heimatlicher
Scholle, hab gedacht, ich feile ein paar Monate an meiner Fliegenfischerei,
anstatt mich hier in die nächste Katastrophe zu stürzen ... weißt schon,
Hythers ... von Mäusen und Menschen, die alte Geschichte. Aber als ich in Kerry
ankomme, tobt da ein ausgewachsener Krieg zwischen meinem alten Herrn und dem
Stadtrat.«
    »Ein
Krieg? Übrigens, mit dem Sandwich hast du Recht gehabt...«
    »Das ist
der Mozzarella; die importieren den direkt aus Südtirol, mit dem
Hubschrauber.« Er tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. »Also, der
Stadtrat hatte anscheinend still und leise irgendeine heimtückische Bestimmung
erlassen, die es der Kommune erlaubte, überall auf der Landzunge Ferienhäuser
zu bauen. Die Dinger stehen jetzt überall in der Gegend rum. Grässlich, Sardinenbüchsen
für Besserverdiener. Zehn Monate im Jahr stehen die Buden leer, so denken die
sich das, und im Juli fallen dann Horden von Uraltdeutschen ein, die sich im
Dorfladen gegenseitig mit Heil Hitler bebrüllgrüßen. Und aus dem Park soll
jetzt ein Golfplatz werden ... ah, danke, meine Liebe.« Die Kellnerin stellte
unseren Kaffee ab. »Klar, dass mein alter Herr Zustände gekriegt hat. Er hat
so ziemlich jeden Anwalt in ganz Munster engagiert und rennt den ganzen Tag im
Haus rum und brummt was von Dünkirchen. >Am Strand, Hoyland, wir bekämpfen
sie am Strand. < Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele Klagen er laufen
hat. Und die klagen natürlich zurück.« Düster dreinblickend zupfte er an den
Manschetten seines billigen Hemdes herum. »Und solange das so geht, pfeifen wir
auf dem letzten Loch. Die kleine Auszeit, um über das Leben nachzudenken und
wie es damit weitergehen soll, ist erst mal abgeblasen. Der alte Herr hat mich
gleich wieder zurückgeschickt, um für die Kriegsanstrengungen Geld zu beschaffen.
Kriegsanstrengungen - so nennt er das, Charles. Er hört gar nicht zu, wenn ich
ihm sage, dass ich hier selbst kaum genug habe, um Leib und Seele
zusammenzuhalten.« Erschöpft zuckte er mit den Schultern. »So, jetzt kennst du
den Grund für die beklagenswerte Talfahrt meiner Finanzen. Und wie steht's bei
dir?«
    Ich atmete
tief durch und gab ihm einen summarischen Abriss meiner Geschichte, beginnend
mit den selbstlosen Bemühungen um den Erhalt von Amaurot bis zu meinem
aktuellen Status als Exilant und den schändlichen Versuchen, eine Arbeit
aufzutun.
    Hoyland
war schockiert. »Eine Arbeit? Du?«
    »Fürchte
ja.«
    »Und was
ist aus dieser italienischen Sache geworden, die du immer durchziehen wolltest,
wie hieß das noch mal, Spirolina... ?«
    »Sprezzatura.«
    » Richtig,
was ist damit?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
»Vorerst perdu, alter Junge.«
    »Hätte
nicht gedacht, dass ich den Tag mal erlebe, an dem du einen Job brauchst«,
sagte er kopfschüttelnd. »Was ist das nur für eine verfluchte Welt.« Er sah
durch und durch sterbenselend aus.
    Ich war
überrascht. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals so am Boden erlebt zu
haben. »Könnte schlimmer sein. Wenigstens kann sich ein Mann heutzutage selbst
durchbringen. Ich meine, was ich so höre, scheint's so was wie einen Boom zu geben...«
    »Ha!«, sagte

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