Murray, Paul
seine Dose und ließ sie auf
den Boden fallen.
Droyd
drehte sich um und warf ihm einen langen, vernichtenden Blick zu.
»Gottverdammte Scheiße«, sagte er.
»Was
ist?«, fragte Frank.
»Ist bloß
'ne Pussy«, sagte Droyd.
Frank gab
unverdrossen die ahnungslose Unschuld.
»Du weißt,
was ich meine«, sagte Droyd, der sich langsam Sorgen machte. »Machst hier einen
auf Jammerlappen.« Er stand auf. »Die drei F, Frankie, weißt du noch, wer mir
das beigebracht hat? Finden, ficken, fallen lassen ... Na, was ist, von wem ist
das wohl?«
»Also
wirklich«, protestierte ich. »Das ist meine Schwester, von der ihr da redet!«
»Das ist
mir scheißegal«, sagte Droyd erregt. »Schau dir doch an, was sie aus dem Penner
da gemacht hat. Früher sind wir losgezogen und haben uns herrlich geprügelt.
Früher ist er dauernd zu Ziggy's rüber und hat sich 'n paar Dinger eingeworfen.
Und jetzt? Nichts. Weißt du eigentlich, was der jetzt abends macht? He, weißt
du's?«
Frank
erstarrte.
»Genau«,
blaffte Droyd Frank mit zitternder Stimme an. »Hättest du nicht gedacht, du
Arsch, dass ich das weiß, he? Lügst mich an, deinen besten Kumpel. Von wegen,
du machst einen drauf mit Niallser und Micker oder mit Ste oder Bignose Rogan.
Die haben dich seit Monaten nicht gesehen.« Er drehte sich wieder zu mir, die
Aknepickel leuchteten bläulich in seinem teigig weißen Gesicht. »Letzte Nacht,
da hab ich mich hinten drin in seinem Wagen versteckt, und weißt du, wo er hin
ist? Raus nach Killiney ist er gefahren, und da sitzt er dann und starrt raus
aufs Meer.«
Frank
schlug beschämt die Augen nieder.
Droyd
stampfte jetzt im Wohnzimmer herum und fuchtelte mit den Armen. »Aufs Meer!«,
brüllte Droyd. »Aufs Scheißmeer!«
Frank
sagte nichts. Er kauerte wie geschrumpft in seinem Sessel und gab ein
jammervolles Bild ab. Droyd hob seine Jacke vom Boden auf, setzte sich seine Kappe
auf und stellte sich dann zwischen Fernseher und Frank. »Ich pack das nicht«,
gröhlte er. »Ich kenn dich gar nicht mehr!« Und damit stürmte er aus der Wohnung,
schlug die Tür hinter sich zu und ließ Frank und mich in peinlicher Stille
zurück. »... von einer finanziellen und politischen Skrupellosigkeit, dass es
einem, Zitat, die Sprache verschlägt«, sagte der Fernseher und zeigte uns einen
korpulenten Mann in grauem Anzug, der sich vor Dublin Castle einen Weg durch
die Menge der Reporter bahnte.
Frank
machte ein leises schmatzendes Geräusch und tat so, als wischte er sich etwas
aus dem Auge. Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz einräumen, dass mich meine
Umwelt in aller Regel nicht als feinfühligen Mitmenschen wahrnimmt. Bel erinnerte
mich pausenlos daran - als wir noch jünger waren, hatte sie daraus sogar einen
Partygag gemacht. Wann immer sie Freundinnen aus der Schule zu Besuch hatte,
wandte sie sich irgendwann im Laufe des Abends an mich und fragte mit lauter
Stimme: »He, Charles, was ist eigentlich Empathie?« Und ich, der ich mir immer
vorgenommen hatte, es fürs nächste Mal im Lexikon nachzuschlagen, aber
irgendwie nie dazu gekommen war, fühlte mich dann genötigt, irgendwas zu
antworten. Ich sagte dann etwas wie, ob das nicht das sei, wenn jemand gähnte
und alle anderen müssten dann auch gähnen, worauf alle ihre Freundinnen anfingen,
maliziös zu gackern, und Bel dann sagte: »Da seht ihr's. Als würde man mit
einem pulsierenden Sitzsack zusammenleben.«
Und so war
ich - was in etwa damit vergleichbar ist, wenn man sich versehentlich auf einen
Pudding setzt - höchst überrascht und beunruhigt über die Entdeckung, dass ich
in diesem Augenblick eine sehr genaue Ahnung davon hatte, was sich gerade in
Franks Kopf abspielte, und zwar deshalb, weil das Gleiche auch mich in den
vergangenen Wochen umgetrieben hatte. Also schaute ich ihn an und fragte, ob
alles in Ordnung sei.
»Ach,
Charlie ...«, sagte er mit gebrochener Stimme und schimmernden Schweinsäuglein.
»Ach, Charlie...«
»Schon
gut«, sagte ich und tätschelte seinen Arm. »Ich weiß Bescheid.«
Dann
schlug er sich vor den Kopf und sagte laut: »Was bin ich doch für ein
Volltrottel! Wie bin ich bloß drauf gekommen, dass das wieder werden könnte.
Ich hab ja noch nicht mal gewusst, warum sie überhaupt mit mir ausgegangen
ist...«
»Sei nicht
albern«, sagte ich. »Sie hatte jede Menge Gründe dafür. Du bist ... äh ... du
bist eben Frank. Du hast einen Lieferwagen. Und ein gut gehendes Geschäft. Und
du haust all diesen anderen, weißt schon, dem Wichser
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