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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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und seiner Bande, kräftig
eins auf die Fresse.«
    Traurig
schüttelte er den Kopf. »Wenn du sie gesehen hättest, Charlie, beim letzten
Mal, wie sie mich da angeschaut hat ... Als ob sie sich geschämt hätte wegen
mir, als wär ich irgendein mieser Sack ...«
Eine dicke, zähflüssige Träne lief ihm an der Nase herunter.
    »Ach was, Bel
schämt sich doch wegen jedem«, sagte ich. »Über mich hat sie den Leuten immer
erzählt, dass ich nur deshalb im Haus sei, weil die Regierung irgendein
Experiment mache. Hier, nimm das...«Ich gab ihm eine Serviette und merkte zu
spät, dass das Droyds Pressemitteilung war. »Ich weiß, du meinst jetzt, alles
ist aus. Aber du darfst dich nicht gehen lassen. An anderen Bäumen hängen auch
noch Äpfel, na ja, weißt schon.«
    Sein Nicken
sah nicht sehr überzeugend aus. Wir verfielen in zerknirschtes Schweigen, wobei
einer von uns mit unleserlichen keilschriftartigen Zeichen übersät war. Noch
Äpfel an anderen Bäumen, nun ja, nicht gerade tröstlich. Aber was sollte ich
ihm sagen? Er war nicht der Erste, der dahergetaumelt kam und sich mit seinem
achtlosen Herzen an ihren Ecken und Kanten und in ihrem vielschichtigen Wesen
verfangen hatte. Er war nicht der Erste, der seine eine große Liebe gefunden zu
haben glaubte, um dann zu erkennen, dass er die ganze Zeit nur eine Rolle
gesprochen hatte, dass alles nur ein Probesprechen gewesen war, dass er nur
etwas war, dem Bel auf ihrem Weg zu weiß Gott wohin zufällig begegnet war.
    Verdammt,
fuhr es mir in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung durch den Kopf, warum konnte
sie nicht einmal was richtig machen? Das war doch kein angemessenes Ende für
eine Dreiecksgeschichte, die wir derart sorgsam aufgebaut hatten, mit all
ihren zarten Spannungen, mit all ihren Gipfelpunkten und Widersprüchen.
Angemessen wären bebende Lippen, Tränen, wechselseitige Anwürfe; angemessen
wären harsche Worte, zerstörte Hoffnungen, theatralische Abgänge mit knallenden
Türen. Und dann, wenn ihr langsam dämmerte, wer sie war, welch edlem Geschlecht
sie entstammte, und sie schließlich begriff, dass diese Liebe einfach nicht
sein konnte - erst dann hatte sie angemessen traurig zu sein und endlose Monate
lang Trübsal blasend durchs Haus zu wandeln, bis zu jenem Tag, an dem ihrem
gütigen, wenn auch permanent unverstandenen Bruder es schließlich gelang, ihr
wieder ein Lächeln zu entlocken, und sie erkannte, dass es immer noch einen
blauen Himmel gab, und sie wieder in unsere Mitte zurückkehrte. Und angemessen
wäre dann noch, sich nicht einfach gelangweilt aus diesem Dreiecksverhältnis
zurückzuziehen und sich auf Gedeih und Verderb einzulassen mit jenem Mistkerl,
der sich ihres gütigen Bruders Zimmer unter den Nagel gerissen hatte, und dann
obendrein noch zuzulassen, wie man jenen Bruder in die kalte Nacht
hinausjagte.
    Aber das
war genau das, was sie getan hatte, und so war ich schließlich im selben Boot
gelandet wie diese flennende Gestalt, die mit verschmiertem Gesicht neben mir
hockte. Jetzt, überlegte ich schwermütig, würde ich wieder ganz von vorn
anfangen müssen. Ich würde mir einen neuen Platz im Leben dieser neuen Figur
suchen müssen - dieser neuen Bel, die ihren Text behielt, die Doris-Day-Lieder
sang und sich nichts inständiger wünschte, als weit weg von hier auf einer
Bühne zu stehen. In London! Oder am Broadway! Schon jetzt, während die Nacht
voranschritt und die Dunkelheit in jeden Winkel der unglückseligen Wohnung
vordrang, sah ich die gigantischen Wellenberge vor mir, die sich zwischen uns
auftürmen würden.
     
    Zehn
     
    bonetowns hallowee-heen zog sich bis weit in den November. Jeden Abend schien das
Zerstörungswerk heftiger zu wüten, sodass ich nach der Arbeit auf dem Weg von
der Bushaltestelle nach Hause ehrlich um mein Leben fürchtete - obwohl die
Feiernden aufgrund meiner exotischen Erscheinung dazu neigten, in mir eine Art
Festwochenmaskottchen zu sehen und mich in der Regel mit Jubelrufen und
hochgereckten Daumen begrüßten.
    Schließlich,
das war so um die Mitte des Monats, erreichte die Gewalt ihren Höhepunkt. Ich
weiß noch, dass ich zweimal abgeschlossen hatte und mit Frank zusammen
versuchte, die Nachrichten zu sehen. Aber bei der Randale, die sich vor
unserem Fenster abspielte, war es fast unmöglich, irgendwas zu verstehen.
Nonstop ging Glas zu Bruch; Eier, Klopapierrollen und selbst gebastelte
Kunstdüngerbomben klatschten an die Häuserwände; theoretisch unstehlbare Dinge
- Telefonmasten,

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