Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
Vom Netzwerk:
ab.«
    »Verflixt«,
sagte ich.
    »Ja«,
sagte er.
    Trotz
seiner gelegentlich wirren metaphysischen Auslassungen erreichten wir in jenen
Wochen, in denen wir uns in der Gesellschaft des anderen zurechtfinden
mussten, eine Art Zustand der Entspannung. Er erzählte mir, dass er Frank
kennen gelernt hatte, als dieser aus einem für unbewohnbar erklärten Gebäude
eine Badewanne bergen wollte, in der er, Droyd, gerade schlief. Zusammen mit
anderem Müll hatte Frank ihn in seinem Lieferwagen mit nach Hause genommen und
ihm seine Couch angeboten, bis er sich wieder berappelt habe - was schließlich
fast das ganze Jahr gedauert hatte.
    »Und was
ist dann passiert?«, fragte ich.
    »Hab mit
Stoff angefangen«, sagte er und rieb sich sachlich die Nase. »Weißt doch, wie
das ist. Man wirft ein paar Dinger ein und raucht dann ein bisschen was, um
wieder runterzukommen. So fängt's an. Nächste, woran du dich erinnerst, ist,
dass du in 'ne Frittenbude einbrichst.«
    »Und dann
ist man Cousin Benny...«
    »Ja, aber
damit ist jetzt Schluss, für immer«, sagte er. »Und du? Was waren die meisten
Dinger, die du eingeworfen hast?«
    »Hmm, lass
mich nachdenken...«
    »Ich hatte
mal siebzehn, das war, als Frank und ich bei so'm Rave waren, auf irgendeinem
Parkplatz, irgendwo im Süden aufm Land. Der reine Horror, die mussten mich
mit'm Hubschrauber ins Krankenhaus bringen, und dann hab ich zwei Wochen im
Rollstuhl gesessen, und der Arzt da hat gesagt, noch ein Ding und ich geh
drauf. Und ich sag, dass er sich verpissen soll.« Seine Augen verschleierten
sich wehmütig. »Das waren noch Zeiten«, sagte er.
    Soweit ich
das verstanden hatte, waren »Dinger« eine Art leistungssteigernder Pillen, die
in etwa die Wirkung von Multivitaminpräparaten hatten. Laut Droyd wurden sie
von unzufriedenen Menschen und Dropouts konsumiert, die bei Raves und
Open-air-Tanzveranstaltungen zusammenkamen, die mitten in der Nacht unter
Autobahnbrücken oder auf verschlammten Äckern stattfanden.
    »Äckern?«,
sagte ich. »Und wenn es regnet?«
    Droyd
zuckte die Achseln. »Bisschen Spaß braucht jeder, stimmt's nicht?« Sein Knie
zuckte nervös, dann wandte er sich wieder dem leeren schwarzen Viereck des
Fensters zu. »Was soll der ganze Scheiß sonst?«
    Während
die Tage bei Fresh & Crispy verstrichen und jeder Tag dem vorigen aufs Haar
glich, stellte ich mir fortwährend diese Frage. Weit davon entfernt, das
Schlagholz in die Hand zu bekommen und mir meine lang gehegten Träume von
einem Dasein als nützliches Mitglied der Gesellschaft zu erfüllen, hatte ich
das Gefühl, eine ausgedehnte, belanglose Abschweifung entfernte mich von meinem
eigenen Leben. Und wie die Stollen auf ihrem Weg in die Zuckergussmaschine
unter meinen Augen zu einem einzigen Stollen verschmolzen, so verbanden sich
die Stunden und Tage zu einem einzigen grenzenlosen zeitlichen Block, sodass
auch mein Leben selbst einem Fließband glich. Warum sollte es nicht auf die
gleiche Art immer so weitergehen? Und dann geschah es, dass Frank eines Abends
zu Hause blieb.
    Wir saßen
alle zusammen vor dem Fernseher. Frank mochte den
Vierundzwanzig-Stunden-Nachrichtensender, auf dem sie normalerweise immer
irgendwelche Bilder von explodierenden Sachen aus dem einen oder anderen Krieg
brachten. Ich hatte die Theorie, dass seine Begeisterung dafür auf seine Zeit
beim Friedenskorps im Libanon zurückging. Allerdings, wenn man ihm zuhörte,
hätte man meinen können, sie hätten damals nichts anderes getan als rumzuhängen
und den US-Marines Streiche zu spielen - dergestalt, dass sie sich von hinten
an sie anschlichen, direkt neben ihren Ohren Luftballons platzen ließen und
»Attacke! Attacke!« brüllten.
    Bilder von
einem Panzer, der an einer Frau vorbeirollte und dann über den Schutthaufen
ihres Hauses, leiteten über zu einer Werbepause. Zu monoton stampfender Musik
ging eine Zeichentricksonne mit psychodelischen Spiralaugen auf, die etwas
beleuchtete, das aussah wie eine Gefängnisinsel für Skinheads.
    »Ibiza«,
sagte Droyd mit amtlicher Stimme. »Irgendwann bald düsen wir ab nach Ibiza ...
was, Frankie?«
    »Klar«,
sagte Frank.
    »Irgendwann
bald«, sagte Droyd gähnend und breitete die Arme aus. »Und auf das hier alles
ist geschissen ... ab und weg, bis dann mal, ihr Wichser ... Aaah, am Strand
ein Bierchen nach dem andern kippen, und dann abends in die Discos, und dann
werden die Pussys genagelt, alle ... was, Frankie?«
    »Klar«,
sagte Frankie mit wehleidiger Stimme, zerdrückte

Weitere Kostenlose Bücher