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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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internationaler
Brotkonzern.« Als dächte er zurück an bessere Zeiten, schaute er mit
verschleiertem Blick kurz auf Veredelungsbereich B hinunter. »Will ja nicht
unfair sein. Haben auch ihre guten Seiten, diese Letten. Sind billig. Kein
Theater mit Gewerkschaften und so. Wenn sie einen vor 'n Koffer kriegen, wissen
sie meistens, wo's lang geht. Und die klotzen richtig ran.« Er gluckste in sich
hinein. »Die Penner sind ganz scharf auf den Luxusfresskorb, den's als Bonus
gibt. Was meinst du, Arschgesicht, ob die da, wo die herkommen, viele
Fresskörbe kriegen? In Lettland? He, ob die da drüben schon ersaufen im Luxus,
was meinst du?«
    »Nein, Mr
Appleseed.«
    »Da kannst
du einen drauf lassen«, gluckste er vergnügt und schaute mich an. Ich stand
niedergeschlagen da, sah die Stollen vorüberziehen und wünschte mir, dass sein
Antlitz verblasste und ich mich wieder meinen Halluzinationen widmen könne. »Du
hältst mich für einen Rassisten, was, Arschgesicht? Hältst dich für was
Besseres. Aber eins merk dir, Mister Theologiestudent, Mister Trinity College,
ein Anruf von mir, und der lettische Ersatzmann für dich sitzt schneller im
Flugzeug, als du Abner Apple sagen kannst. Tja, und noch was, das du dir merken
solltest ... Ich bin nämlich auch auf einer Universität gewesen, hat bloß nicht
so geheißen, war nämlich die Universität des Lebens. Ich kann vielleicht nicht
so affig rumtun wie du, aber da draußen aufm Parkplatz, da steht ein Lexus, auf
meinen Namen zugelassen, voll abbezahlt, den kann mir keiner nehmen. Wie war
das noch mal, Arschgesicht, hab's vergessen, wie viele Lexus' waren das noch
mal, die du da draußen aufm Parkplatz stehen hast? He, wie viele waren das noch
mal?«
    »Keiner«,
murmelte ich.
    »Richtig,
Arschgesicht, dein affektiertes Rumgetue hat dir nämlich genau was
eingebracht... was genau war das noch mal?«
    »Nichts«,
bestätigte ich ihm. Dann klopfte er mir auf die Schulter und sagte, ich hätte
wenigstens Sinn für Humor, eine für einen Arbeiter wichtige Eigenschaft, und
dass er glaube, ich könne es noch zu etwas bringen in der Firma, das heißt,
wenn ich keinen Zeitvertrag hätte, was ja bedeutete, dass ich für den Rest
meiner im übrigen gezählten Tage Begradiger bleiben würde.
    Es zeigte
sich schnell, dass ich bei Fresh & Crispy weder den wahren Wert der Dinge
begreifen noch meine Möglichkeiten oder sonst was würde ausschöpfen können.
Ebenfalls klar wurde mir, dass ich mich auch nicht aus dem alten Trott
ausklinken und fürs Erste auch keine Party für mich steigen würde. Kaum hatte
ich einen Gehaltsscheck auf mein Konto eingezahlt, da saß mir auch schon Frank
im Nacken und wollte seinen Anteil. Wenn nicht für Lebensmittel, dann für
Heizung, wenn nicht für Heizung, dann für Miete.
    »Miete?
Was meinst du, Miete? Ich habe dir erst letzte Woche Geld für die Miete
gegeben. Was hast du damit gemacht?«
    »Tja,
stimmt schon, Charlie, aber diese Woche müssen wir auch Miete zahlen. Außerdem
war das nur 'n Zwanziger, und am nächsten Tag hast du dir fünfzig gepumpt, weil
du diesen großen Fisch...«
    »Dieser
>große Fisch< war zufällig ein Wildlachs aus County Donegal, und wenn du
dich nur ein bisschen auskennen würdest, dann wüsstest du, dass fünfzig Pfund
dafür praktisch geschenkt sind. Ich versuche nur, mir einen Hauch von zivilisiertem
Leben zu bewahren. Ich meine, Herrgott noch mal, Frank, wir sind doch keine
wilden Tiere, oder?«
    »Ja
sicher, aber trotzdem sind wir ein bisschen im Rückstand, Charlie...«
    »Hmm«,
brummte ich. Niemanden, der mal miterlebt hatte, wie Frank versuchte, ein
Haushaltsbudget zu verwalten, konnte das überraschen. Alle paar Wochen setzte
er sich mit einem Six-pack Hobson's Choice und einer voll gestopften
Plastiktüte an den Küchentisch und kippte den Inhalt - Rechnungen und Quittungen,
mit Zahlen bekritzelte Papierschnipsel und Bierdeckel - auf dem Tisch aus. Dann
trank er langsam und bedächtig eine Dose nach der anderen. Dann, wenn alle
Dosen ausgetrunken waren, einige Stunden, nachdem er sich niedergelassen hatte,
stieß er einen leisen Seufzer aus, schob den Papierberg zurück in die
Plastiktüte und verstaute diese sorgfältig im Mülleimer.
    Selten war
mir jemand begegnet, der einen Buchhalter so dringend nötig gehabt hätte. Doch
Frank hatte nicht mal ein Bankkonto. »Sind alles Gangster, Charlie«, sagte Frank.
»Wenn ich mein Geld Gangstern geben wollte, dann würde ich es Gangstern geben,
die ich kenne,

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