Murray, Paul
Müllcontainer, eine Polstermöbelgarnitur aus Kunstleder -
landeten auf dem immer höher auflodernden Scheiterhaufen, der aussah wie ein
Leuchtfeuer, der das Ende der Welt markiert.
Am
nächsten Morgen fanden wir den Rollstuhl für Bels Stück. Er stand einfach so am
Randstein, direkt vor dem Haus. Und niemand in Sicht, der hätte erklären
können, wie er dahin gekommen war oder wem er vor der letzten Nacht gehört
hatte. Er stand da, als hätte ihn jemand extra für uns dahin gestellt. Obwohl
er inmitten von Schutt, zerfetztem Metall und den Überresten einer Katze
stand, war er ziemlich intakt. Er kam uns auf eine irgendwie falsche und
beunruhigende Art unversehrt vor - noch bevor wir merkten, dass irgendetwas
Vertrautes fehlte. Der Karton und die Decken lagen nicht mehr auf den
Eingangsstufen. Kenny, der Obdachlose, der auch während der schlimmsten
Feindseligkeiten die Stellung vor dem Haus gehalten hatte, war verschwunden -
auf so mysteriöse Art, wie der Rollstuhl aufgetaucht war, als hätte jemand
einen fairen Tausch im Sinn gehabt. Es gab keinerlei Hinweis darauf, was
passiert war, außer dass jemand seinem kleinen, verwegenen Graffiti ein
tödliches schwarzes H hinzugefügt hatte, » harm the homeless «, las Droyd laut.
»Wo er
wohl hin ist«, sagte ich bemüht salopp, um meine Besorgnis zu überspielen.
»Vielleicht
hat er sich für die Nacht in den Park verdrückt«, sagte Frank.
»Oder ins
Hotel«, sagte Droyd. »Vielleicht hat er ja was Anständiges zum Wohnen
gefunden.«
Aber wir
wussten, dass er das nicht hatte. Warum sonst hätten wir aufgehört zu reden?
Und warum sonst hätten wir dieses Gefühl gehabt, dass um uns herum tödliche
Stille herrschte, während wir den Rollstuhl die Treppe hinauftrugen.
In den
nächsten Tagen stand der Rollstuhl in einer Ecke und funkelte mich auf eine Art
und Weise an, die mir nicht behagte. Schließlich fragte ich Frank, wann er das
Ding endlich aus der Wohnung schaffe. Er brummte, dass er eigentlich schon weg
sein sollte, dass er aber die ganze Woche zu viel am Hals gehabt habe. Das
stimmte nicht, denn fast die ganze Woche hatte er schniefend in der Wohnung
herumgesessen, und das sagte ich ihm auch. Er wand sich verlegen. »Ich will da
nicht allein raus, Charlie.«
»Wo raus?
Nach Amaurot? Warum nicht?«
»Weiß
nicht«, sagte er und senkte den Kopf. »Ich will einfach nicht.«
»Das ist
doch lächerlich«, sagte ich.
»Ja«,
pflichtete er mir pathetisch bei. Dann hellte sich plötzlich sein Gesicht auf.
»Hey, warum kommst du nicht mit?«
»Ich?«
»Ja klar,
du kannst mir tragen helfen.«
Jetzt war
es an mir, nach Ausflüchten zu suchen. Mein Plan war eigentlich gewesen, erst
nach Amaurot zurückzukehren, wenn ich aus meinem Leben eine Erfolgsgeschichte
gemacht hatte. In meiner momentan angespannten Lage wollte ich mich Mutters
Ich-hab's-ja-gewusst-Vorhaltungen und dem hämischen Grinsen der Schauspieler
nicht aussetzen. Außerdem war ich mir ziemlich sicher, den Anblick Bels bei
einer weiteren ihrer unausgegorenen Romanzen - inklusive Getatsche und
klebrigem Geknutsche - nicht ertragen zu können. Aber der Rollstuhl hatte
etwas derart Unheimliches an sich, dass ich schließlich nachgab.
Frank
sagte den ganzen Weg kaum ein Wort. Aus den Fingern am Lenkrad traten weiß die
Knöchel hervor. Ich muss gestehen, dass auch mich leicht schauderte, als wir
die Stadt Richtung Küstenstraße verließen. Der Wind wirbelte durch das
heruntergekurbelte Fenster, die Häuser wichen Bäumen, die wie bleiche Streichhölzer
vorbeihuschten; linker Hand brandete selbstvergessen die See ans Ufer und wogte
wieder zurück, wie ein graues Gespenst, das seinen Korridor kontrolliert. Dann
tauchte das Eisentor auf und die alte Rosskastanie mit der Narbe, wo Vater sie
einmal spät nachts gerammt hatte. Als Frank die holperige Einfahrt hinauffuhr,
löste sich ruckartig ein Schwärm Tauben aus dem Geäst.
»Sieht gut
aus, die alte Hütte«, sagte er hölzern, als das Dach und die oberen Stockwerke
über den Bäumen hervorlugten.
»Mmm ...«
Die Hütte kam mir größer vor, als ich sie in Erinnerung hatte. Wahrscheinlich
weil ich schon so lange in der engen Wohnung in Bonetown wohnte. Je näher wir
kamen, desto mächtiger schienen sich die Mauern aufzutürmen, desto drückender
schien der Schatten des Hauses auf uns und dem verrosteten weißen Lieferwagen
zu lasten ... Und dann - von hinten - ein aufgekratztes Tööt!
Tööt! »Was, zum Henker... ?«
»Sieht so
aus, als ob da
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