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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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nicht irgendwelchen fremden Ärschen.« Stattdessen lagerte er das
Geld in einem »Geheimversteck«, einem Strumpf von Celtic Glasgow, der unter
seinem Bett lag.
    Ich hatte
den Eindruck, dass er er jede Menge Geld hatte und mir seine Strafpredigten nur
aus Boshaftigkeit hielt. Seit Bels letztem Besuch beharkten wir uns pausenlos.
Meistens ging es um Geld, obwohl auch alles andere Auslöser für einen Streit
sein konnte. Es war nur zu offensichtlich, dass Frank, auch wenn er das
Gegenteil behauptete, ebenfalls in einer tiefen Depression steckte. Sicher, er
alberte mit Droyd herum, als wäre alles in Ordnung, und er trank zahllose
Biere und rauchte zahllose Joints, aber er ließ seine Chicken Balls
unangetastet auf dem Teller liegen, und mehr als einmal entdeckte ich hinter
der Couch aus seinem Entrümpelungsgewerbe stammende Objekte, die bis zur
Unkenntlichkeit demoliert waren. Selbst nach seinen eigenen Maßstäben führte
er sich flegelhaft und unerträglich auf, und ich war dankbar, dass er
inzwischen noch öfter als früher um die Häuser zog und erst spät wieder nach
Hause kam.
    Angesichts
des nahenden Winters und angesichts der Depression, die Frank und mich in
ihren Klauen hatte, war es kein Wunder, dass auch Droyd in ein Loch fiel.
Frank nahm ihn nie mit auf seine Touren, und außer zu den Terminen in der
Methadonklinik und bei seinem Bewährungshelfer ging er nie aus dem Haus. Er
hatte sich angewöhnt, ganze Abende am Fenster zu sitzen und nach unten auf die
regennasse Straße zu starren. Die Tatsache, dass er auch nicht mehr so oft
seine Musik laufen ließ, bereitete mir allerdings nicht allzu viel Kummer.
Eines Abends jedoch bat er mich, etwas, dass er geschrieben hatte, auf Fehler
durchzusehen. Er gab mir eine labberige Serviette, die mit keilschriftartigen
Zeichen bedeckt war. »Was ist das?«, fragte ich.
    »Pressemitteilung«,
sagte Droyd. »Für meine Musik.«
    »Oh.«
    »Muss
meinen Leuten Bescheid geben, dass der Droyd wieder startklar ist«, setzte er
erläuternd hinzu.
    »Hab gar
nicht gewusst, dass du komponierst«, sagte ich. »He?«
    »Musik,
meine ich.«
    »Ah so.«
Er betrachtete prüfend einen seiner klobigen goldenen Ringe. »Tja, hab
eigentlich noch keine gemacht, weil ... ging halt nicht, wegen Knast und so.
Aber ich fang bald an ... Muss mich erst mal wieder auf die Reihe kriegen.
Spiel dann überall, in allen großen Clubs. Rotterdam. Ibiza. Schon mal auf
Ibiza gewesen?«
    »Nein«,
sagte ich.
    »Tödlich«,
sagte er schniefend. »Da gibt's diese Schaumdiscos, wo sie den ganzen Tanzboden
mit Schaum voll pumpen, und die Pussys stürzen sich einfach so auf dich und
fangen an, dich zu nageln. Wahnsinn.«
    »Ja, das
hört sich lustig an...« Ich hatte die Serviette schon aus verschiedenen
Blickwinkeln untersucht, doch die Keile verteidigten ihr Geheimnis hartnäckig.
»Sieht okay aus«, sagte ich. »Wie wär's, wenn du es mir vorliest, mal hören,
wie es klingt.«
    »Genau.«
Er nahm die Serviette wieder an sich und fuhr mit dem Finger über das Papier,
während er mit stockender, monotoner Stimme las. »Für DJ Droyd gibt's nur
eins, Musik. Er ist wie eine Maschine, weil ihn keiner stoppen kann. Und auch,
weil seine Beats alles für ihn sind und die einzige Hoffnung für die Zukunft.
Der Droyd ist bekannt dafür, dass er dazu steht, was er mit seiner Musik sagt.
Er sagt, dass wir in einer Kriegszone in der Zukunft leben, und er sagt, dass
es noch schlimmer wird. Wenn es Krieg gibt mit den Robotern und Computern, dann
gewinnen die locker, weil die nämlich nicht müde werden oder Hunger haben wie
die Menschen. Und sie geben auch nie auf wie die Menschen. Die einzige Hoffnung
ist, man muss selbst wie ein Roboter werden und darf nicht wie ein Trottel
schmalzig rumjammern. Das ist das, was der Droyd euch sagen will.« Er schaute
mich an. »Das ist alles bis jetzt.«
    »Sehr
interessant«, sagte ich. »Verliert möglicherweise gegen Ende hin etwas das
Thema, ich meine diese Sache über den Krieg gegen die Roboter. Aber insgesamt,
doch, sehr eindrucksvoll.«
    »Das ist
die Wahrheit«, sagte Droyd mit leiser Stimme und zog sich den Schirm seiner
Kappe ins Gesicht.
    »Was?«
    »Alles
hier.« Er machte eine die allgemeine Unordnung umfassende Handbewegung. »Das
ist alles Illusion. Im Knast haben wir einen Film darüber gesehen. Alles
erschaffen von den Computern, damit wir nicht merken, was wirklich passiert.
Wir stecken alle in so Energieröhren, und die zapfen unsere Energie

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