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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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Film trug. Ohne dass jemand davon
wusste, litt er damals selbst schon unheilbar an Krebs. Später sagte sie, dass
sie die Dreharbeiten als einen Stummfilm in Erinnerung habe: ohne Geräusche,
ohne Worte. Aber sie habe sich die ganze Zeit selbst sehen können, erzählte
sie den Ärzten, als schwebe sie außerhalb ihres Körpers und beobachte sich aus
weiter Ferne.
     
    Elf
     
    es waren nicht die predigten, die mich
beunruhigten. Man lebte nicht mehr als zwanzig Jahre mit Bel zusammen, ohne
sich daran zu gewöhnen, dass man von Zeit zu Zeit eine Predigt ertragen musste.
Auch an die Verbannung aus Amaurot gewöhnte ich mich allmählich.
    »Aber sie
hat mich um Hilfe gebeten. Bel fragt mich sonst nie um Hilfe. In all den Jahren
hat sie mich nicht ein einziges Mal um Hilfe oder Rat gebeten. Und wenn es nur
darum ging, ihr dabei zu helfen, die Puppenküche aufzubauen...« Ich schwenkte
mein Glas hin und her und schaute düster in den Strudel der Flüssigkeit.
»Irgendwas ist da im Busch, das weiß ich. Und es hat was mit diesem Mistkerl
Harry zu tun.«
    »Schwätzer«,
lautete Franks Kommentar von der Couch.
    »Wenn er
nur ein Schwätzer wäre«, sagte ich. »Der ist Schauspieler. Ziemlich schlechte Aussichten. Wenn du mich fragst - einem
Schauspieler würde ich nicht so weit trauen, wie ich ihn werfen kann. Du
brauchst dir doch bloß die Tatsachen anzuschauen. Tatsache ist: Die beiden
kennen sich seit vier Jahren ohne auch nur das leiseste Anzeichen einer
Romanze; dann nimmt diese Theatergeschichte Gestalt an, und er steht mit dem
Drehbuch auf der Matte; und plötzlich ist alles Doris Day und singender Wind
in den Hochspannungsleitungen, Mutter frisst ihm aus der Hand, und er markiert
den Chef von Amaurot.« Ich ging zur Küchentür. »Ich bitte dich, eine Rolle, die
er ihr auf den Leib geschrieben hat.«
    »Eines
Tages«, sagte der die Decke anstarrende Frank. »Eines Tages ist er fällig.«
    »Wenn sie
nur nicht so abartig naiv wäre«, sagte ich ärgerlich. »Das elementare Problem
mit Bel ist, dass sie derart naiv ist,
dass sie sich selbst für so was von ausgebufft hält. Jemanden wie sie dürfte
man nicht mal auf tausend Meilen an einen Lumpen wie Harry ranlassen. Verdammt,
was habe ich mir bloß dabei gedacht, sie allein da draußen zu lassen? Wie
konnte ich sie nur dieser falschen Schlange in die Hände fallen lassen?«
    »Schlangen
haben keine Hände, Charlie.«
    »Halt den
Mund, Frank, sei so gut.« Ich ging zurück zur Schlafzimmerkommode, die Frank
in einem Müllcontainer gefunden hatte. Ich hatte das ramponierte Stück
einigermaßen wieder auf Hochglanz gebracht und Frank überredet, es nicht zu
verkaufen. Mit einer Kommode im Haus war das Leben doch gleich nicht mehr ganz
so trübe.
    Ich
schenkte mir nach und trommelte mit den Fingern auf das Holz. Es musste an Harry
liegen, welchen anderen Grund für ihr bizarres Benehmen konnte es sonst geben?
Sie hatte ihr vermaledeites Theater, sie hatte ihre Hauptrolle, sie hatte das
Haus voller Marxisten. Die einzige denkbare Erklärung war, dass ihre jüngste
Liebelei auch schon wieder erledigt war. Das, sollte es zutreffen, wäre
allerdings nicht ohne Beispiel. Sie hatte es bei ihren Liebesgeschichten immer
so gehalten - verkehrt herum, meine ich: Sie stolperte über diese Trottel und
verliebte sich in sie, ausschließlich weil sie in das unmögliche
Gedankengebilde passten, an dem sie sich zu der Zeit gerade abarbeitete; ohne
auch nur eine Sekunde nachgedacht zu haben, stürzte sie sich kopfüber hinein.
Und wenn es dann schief ging - was es unweigerlich tat -, dann schob sie es auf
mich und meine Einmischung. Tatsache war allerdings, dass Bel dringend jemanden
brauchte, der sich einmischte. Mit dieser Axt von Fahrlässigkeit kam sie
vielleicht bei einem Charakter wie Frank durch, der sich erst mal setzen
musste, wenn er zwei Dinge auf einmal bedenken sollte. Dieser Harry aber war
aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er war ein Intrigant und Heuchler, einer
dieser hinterhältigen Typen, die sich abends in den Keller verkriechen, um sich
eine neue Identität zusammenzuschustern. Aber was konnte ich, der ich Meilen
entfernt in einem Slum festsaß, schon unternehmen? Wie konnte ich ihr von hier
aus helfen?
    Ein paar
Tage nach meinem Besuch rief Mutter an und erzählte, dass der alte Thompson
gestorben sei. Anscheinend war Olivier zum Einkaufen gegangen und hatte ihn
versehentlich draußen auf der Veranda stehen lassen. Als er wieder nach Hause
kam, habe der alte Mann

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